Liebe Eva, am meisten trifft mich dieses "bei lebendigem Leibe". Ich muss sofort an die katholische Großmutter und ihre Erzählungen von den Märtyrern denken. Danach an die Verbrennungen der unschuldigen "Hexen". - Etwas geschieht einem. Und man hat nicht die Kraft oder Macht, es zu verhindern oder gegenzusteuern.
Wie es mir immer wieder mit den Beschwernissen, Einschränkungen, Lebensweisen im Alter geht. Trotz hat früher geholfen. Jetzt bewirkt er immerhin, dass ich noch stehe und nicht in die Knie gehe. Noch nicht. Dann kommen kleine Sonnenaugenblicke - und es geht wieder. In dieser Jahreszeit, in der uns das Dunkel immer mehr umgibt, fühle ich mich manchmal wie in einem Sumpf. Kalt, dunkel, das Wasser bis zum Hals oder Lehm, der mich unbeweglich werden lässt. Und schaue ich (meine Morgenroutine) nach Gedichten, die mancheiner auch ins Internet stellt - dann fühle ich, ich bin nicht allein. Das Dunkel, die Jahreszeit, der kommende Winter - all das scheint zu hemmen und Lebenskraft zu stehlen. Bleibt nur die Hoffnung, diese große Macht, die ich in den kleinen Dingen finden muss. Es ist noch eine verspätete Blüte am Sommerflieder aufgegangen. Das Rotkehlchen guckt vom Balkon direkt vor der Tür zu mir ins Zimmer. Vorwurfsvoll. Wir dürfen wegen der Ratten nicht mehr füttern. Ich versuche der leuchtenden Brust und den kleinen Augen eine Erklärung zu geben, für Verständnis zu werben. Aber die Hungersuche tut mir weh - das kleine Rot ist ein Tropfen Hoffnung.
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