Auf dem Dachboden spielen sie Murmeln. Ich höre das Aufklacken und Rollen der Kugeln auf den morschen Dielen. Höre die Kinder beim Spielen kichern. Der Dachboden ist ihr Zuhause. Manchmal lausche ich ihren Erinnerungen. Eigentlich stammen sie aus Porspoder, in der Bretagne. Sie erzählen von Tagen, an denen die sturmgepeitschten Wellen den Leuchtturm verschluckten. Vom Verstecken spielen zwischen den gezackten Felsen, die dem Kirchturm so ähnelten, dass man beide nicht unterscheiden konnte. Fühle das Echo ihrer glücklichen Erinnerungen als ob es meine wären. Doch meist klingt Trauer und Angst aus ihren Worten. In solchen Momenten scheinen sie ihre Köpfe zusammenzustecken und ihre Stimmen klingen nur noch wie ein Murmurmeln zu mir. Sie erzählen von den Soldaten, die sie und ihre Eltern mitnahmen. In ein fremdes Land. Dort lebten sie auf dem Dachboden. Während die Eltern von Sonnenauf- bis Untergang auf den Feldern arbeiteten, harrten sie auf dem Boden aus und vertrieben sich die Zeit mit den Murmeln.
Es war ein brütend heißer Sommer. Die Kinder wussten, dass sie den Speicher nur verlassen durften, um Wasser aus dem Brunnen zu trinken oder ihr Geschäft auf dem Plumpsklo zu erledigen. Ein wenig trockenes Brot lag immer auf dem Dachboden bereit. Die Hitze war schon am frühen Morgen kaum auszuhalten. Über eine Woche hatte die Sonne auf die Ziegel gebrannt. War es ein Windzug, eines der Kinder, die der Falltür zu nahe kam oder einfach nur Schicksal? Die Tür verklemmte sich. Ließ sich nicht öffnen. Als die Eltern am Abend vom Feld zurückkehrten, fanden sie die zwei Söhne, ihre Tochter. Die Fingernägel blutig, abgebrochen vom Versuch, die Tür zu öffnen.
Sie werden nicht älter, bleiben ewig Kinder. Umherirrende Seelen, die mir ihre Geschichten erzählen, auf dass sie nicht vergessen werden.
_________________ Der Kopf denkt weiter als man denkt.
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