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 Betreff des Beitrags: 449
BeitragVerfasst: Mo 27. Jun 2016, 11:51 
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Auf dem Dachboden spielen sie Murmeln.
Ich höre das Aufklacken und Rollen der Kugeln auf den morschen Dielen.
Höre die Kinder beim Spielen kichern.
Der Dachboden ist ihr Zuhause.
Manchmal lausche ich ihren Erinnerungen.
Eigentlich stammen sie aus Porspoder, in der Bretagne.
Sie erzählen von Tagen, an denen die sturmgepeitschten Wellen den Leuchtturm verschluckten.
Vom Verstecken spielen zwischen den gezackten Felsen, die dem Kirchturm so ähnelten,
dass man beide nicht unterscheiden konnte.
Fühle das Echo ihrer glücklichen Erinnerungen als ob es meine wären.
Doch meist klingt Trauer und Angst aus ihren Worten.
In solchen Momenten scheinen sie ihre Köpfe zusammenzustecken
und ihre Stimmen klingen nur noch wie ein Murmurmeln zu mir.
Sie erzählen von den Soldaten, die sie und ihre Eltern mitnahmen.
In ein fremdes Land.
Dort lebten sie auf dem Dachboden.
Während die Eltern von Sonnenauf- bis Untergang auf den Feldern arbeiteten,
harrten sie auf dem Boden aus und vertrieben sich die Zeit mit den Murmeln.

Es war ein brütend heißer Sommer.
Die Kinder wussten, dass sie den Speicher nur verlassen durften,
um Wasser aus dem Brunnen zu trinken oder ihr Geschäft auf dem Plumpsklo zu erledigen.
Ein wenig trockenes Brot lag immer auf dem Dachboden bereit.
Die Hitze war schon am frühen Morgen kaum auszuhalten.
Über eine Woche hatte die Sonne auf die Ziegel gebrannt.
War es ein Windzug, eines der Kinder, die der Falltür zu nahe kam oder einfach nur Schicksal?
Die Tür verklemmte sich. Ließ sich nicht öffnen.
Als die Eltern am Abend vom Feld zurückkehrten, fanden sie die zwei Söhne, ihre Tochter.
Die Fingernägel blutig, abgebrochen vom Versuch, die Tür zu öffnen.

Sie werden nicht älter, bleiben ewig Kinder.
Umherirrende Seelen, die mir ihre Geschichten erzählen, auf dass sie nicht vergessen werden.

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 Betreff des Beitrags: Re: 449
BeitragVerfasst: Mo 27. Jun 2016, 21:34 
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jetzt höre ich sie auch ... smiley_52:

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 Betreff des Beitrags: Re: 449
BeitragVerfasst: Di 28. Jun 2016, 13:43 
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jedes nicht festgehaltene wort ist ein verlorenes wort - schreiben gegen die zeit, die noch bleibt ©mbpk


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 Betreff des Beitrags: Re: 449
BeitragVerfasst: Mi 29. Jun 2016, 09:22 
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 Betreff des Beitrags: Re: 449
BeitragVerfasst: Mi 29. Jun 2016, 09:43 
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 Betreff des Beitrags: Re: 449
BeitragVerfasst: Mi 29. Jun 2016, 12:35 
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Diese Geschichte wurde niemals von Inge oder deren Eltern erwähnt. Inges Taufpatin, die Feine-Gode, erwähnte sie erstmals mir gegenüber.
Sie erzählte auch von dem jüdischen Geschäft im alten Ortskern. Die Besitzer, ein Ehepaar mit ihren zwei Kindern, war sehr beliebt.
Man konnte anschreiben, sich Geld leihen. Sie waren schon seit zwei Generationen ortsansässig. Die Eheleute und ihre Kinder brave Leute.
Man sang in den Chören, nahm an den Umzügen teil.
Als sie abgeholt wurden, stellte sich ihnen keiner in den Weg, außer der Feine-Gode. Ihr Mann war schon ein Jahr vorher gefallen.
Sie hasste die Nazis. Man knüppelte sie nieder und sie war den Rest der Nazizeit eine Aussätzige.
Vor einiger Zeit habe ich die Geschichte des Dachbodens von einer alten Delkenheimerin erneut erzählt bekommen.
Seitdem wundere ich mich nicht mehr über die sonderbaren Geräusche, die ich so oft von dort vernehme, verstehe das Murmurmeln.

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 Betreff des Beitrags: Re: 449
BeitragVerfasst: Mi 29. Jun 2016, 12:55 
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so nahe ist dir diese geschichte also ...

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 Betreff des Beitrags: Re: 449
BeitragVerfasst: Do 30. Jun 2016, 12:18 
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Die Gode erzählte einmal, dass die meisten Delkenheimer froh über die Deportation gewesen seien.
'So wurde man seine Schulden los', meinte sie.

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 Betreff des Beitrags: Re: 449
BeitragVerfasst: Do 30. Jun 2016, 13:34 
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den meisten kam es wohl gelegen.
etwas anderes kann ich nach lebenslanger lektüre zu dem thema nicht annehmen.

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 Betreff des Beitrags: Re: 449
BeitragVerfasst: Fr 1. Jul 2016, 04:25 
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das ist schon nahezu stoff für einen ganzen roman... smiley_102: smiley_101:


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