Du!
Jetzt werde ich berühmt.
Aber so was von berühmt, alle Berühmten Scheißdreck dagegen.
Mein Name wird in einem Zug mit Humboldt genannt werden,
denn ich bin der Entdecker eines bis dato unbekannten Lebewesens.
Ich fand es auf einer meiner Reisen durch das dschungelartige Dickicht
unserer Rasengrasnarbe.
Allein bewaffnet mit meinem Intellekt und der Erfahrung hunderter Begehungen,
machte ich mich gestern auf den Weg, der Natur und ihren Gefahren zu trotzen.
Wie so oft entging ich auch diesmal nur knapp dem Tode.
Fast hätten mich die Mandibeln einer Ameise zersägt, um ein Haar wäre ich
vom scharfen Grat eines Grashalmes geköpft worden.
Während ich dem Dschungel trotzte, lag plötzlich ein Flirren und Flarren in der Luft.
Das Gras wogte hin und her, von einem unsichtbaren Luftzug bewegt.
Da war etwas Unbekanntes, ich konnte es förmlich riechen.
Mein Entdeckerinstinkt war erwacht.
Ich wusste, wohin ich mich bewegen musste.
Doch fast hätte mir das Schicksal auf dem Weg zum Entdeckerolymp noch einen Streich gespielt.
Ich verfing mich in den Ranken eines Hedera Helix, der dort unten nach Höhen Ausschau hielt.
Sofort rief der Abenteurergeist in mir: Bleib ruhig, Junge, du packst das schon.
Ich befreite mich von den Haftwurzeln, die sofort versucht hatten, sich in mir zu verkrallen.
Weiter ging es.
Immer diesem Flirren und Flarren entgegen.
Je näher ich dem Ursprung kam, desto mehr entwickelte sich der sanfte Wind zu einem Sturm.
Hier musste etwas Gewaltiges im Gange sein.
Ich musste, ob ich wollte oder nicht, Halt suchen, an den Grashalmen.
Ich klammerte mich an ihnen fest, wurde der Wind zu mächtig.
Die Grate der Halme zerschnitten Arme und Beine, mein Gesicht.
Aber kann es etwas geben, das den Entdecker aufhält?
Nein! Er muss voran.
Nicht für sich, für die Menschheit tut er es.
Und so ging ich, kroch ich, dem Ursprung entgegen.
Und plötzlich, wie aus dem Nichts, stand ich vor diesem Ungetüm.
Seine Flügel waren es, sie erzeugten den Sturm, der rings herum die Halme knickte,
alles Leben in die Flucht schlug.
Nur mich nicht.
Ich zückte meine Kamera, wusste, dass dies vielleicht die einzige Gelegenheit sein könnte.
Bei diesem Wesen musste es sich um eine Kreuzung der Phobaeticus Serratipes,
der Stabheuschrecke, und der eines Schmetterlings handeln.
Nie zuvor war einem Menschen dieser Anblick vergönnt.
Ich schoss Bild um Bild, konnte sich dieses Wesen doch jeden Moment erheben und davonfliegen.
Mit jedem Flügelschlag hieben die Grashalme auf mich ein.
Es wird Monate dauern, bis die Wunden verheilt sein werden.
Aber es hat sich gelohnt.
Ich habe ihn entdeckt und für die Menschheit festgehalten.
Und nun, präsentiere ich ihnen, liebe Leser, nicht ohne Stolz, wenn ich so sagen darf:
Phobaeticus serratipes Lepidoptera Lenk, den Stabschmetterling!