Du!
Jetzt ist gleich wieder Weihnachten.
Und wann, wenn nicht an Weihnachten, erinnert man sich.
Man erinnert sich an die leuchtenden Augen.
An seine leuchtenden Augen. Damals.
Nun…bei meinem Vater gab es keine Weihnachten.
Sie fielen immer wegen Suff aus.
Später…als meine Mama ihn, den Säufer, endlich verlassen hatte,
war der heilige Abend für mich immer der schönste Tag im Jahr.
Nicht wegen der Geschenke…nein, der heilige Abend gehörte uns.
Der Familie.
Mama war Kneipenwirtin.
Da war kaum Zeit für den Jungen.
Geld musste her.
Unterhalt gab es keinen, da meine Mama ihren Mann mutwillig verlassen hatte.
Ihn, den Säufer, der uns so viel angetan hatte.
Na ja.
Mama arbeitete.
Von morgens bis in die Nacht.
Es gab nur den Ruhetag Dienstags und den heiligen Abend.
Der Ruhetag hatte diesen Namen nicht verdient.
Einkäufe, Papierkriege…keine Zeit.
Aber der heilige Abend.
An diesem einen Abend gehörte die Familie (Stiefvater und Mama)
meinem großen Bruder und mir.
Am ersten Feiertag wurde die Kneipe erst abends geöffnet und so hatten wir Zeit.
Wie gesagt…die Geschenke – nicht so wichtig.
Aber wir.
Lachen und Essen und Trinken.
Tja…Trinken.
Da war diese eine Weihnachten.
Ich muss so 10 oder 11 gewesen sein.
Mein großer Bruder, Mama und Papa (mein Stiefvater war längst zu Papa geworden)
tranken an diesem heiligen Abend gerne einen.
Als mich meine Mama nun einige Wochen vor Heilig Abend nach meinen Wünschen fragte,
sagte ich, dass ich an Weihnachten auch etwas Trinken wolle.
Meine Mama, von Haus aus große Diplomatin, sagte: Kein Problem. Was willste denn?
In meiner Mamas Kneipe war mir immer schon dieses grüne Zeugs aufgefallen.
Bols stand darauf. ‚Pfefferminzlikör‘.
Der sollte es sein.
Mama nickte nur. Und dann kam der heilige Abend.
Da standen viele wunderbare Geschenke.
Und zwischen all den wunderbaren Geschenken stand eine Flasche Bols.
Pure grüne Magie.
Nach dem Essen Bescherung.
Ich erinnere mich gut, dass ich ein Fort geschenkt bekam.
Cowboy- und Indianerfiguren.
Mitten im Kampf ums Fort sagte meine Mutter, dass es Zeit für einen Schnaps sei.
Meine Augen wurden ganz groß.
Jetzt, jetzt endlich, würde ich einer von Ihnen sein.
Ein erwachsener Mann mit seiner Flasche Schnaps.
Mama schenkte mir ein Glas der grünen Erfüllung ein und die Familie toastete sich zu.
Alle Augen ruhten auf den noch zukünftigen Mann.
Ich setzte das Glas an, ganz in Erwachsenenmanier, und trank das Glas leer.
Im ersten Augenblick pure Magie.
Diese wundervolle Süße…dieser pfefferminzische Geschmack.
Dieser pfefferminzische Geschmack. Oh…was war das?
Dieses pfefferminzische Brennen im Hals.
Und überhaupt.
Warum konnte ich nicht mehr atmen?
Und warum weinten meine Augen?
Und warum lächelte meine Familie so merkwürdig?
Ich dachte, ich müsse sterben.
Ganz gewiss war dies der Augenblick des Todes.
Schade, gerade waren die Indianer dabei, das Fort zu stürmen.
Aber langsam, ganz langsam, verging das Gefühl des nahenden Todes.
Aber dafür kam ein ganz anderes Gefühl. Ganz langsam.
Aber ganz schön intensiv.
Ja!
Plötzlich, ganz plötzlich, wurde ich zu einem Meer.
Was mir zuerst wie der stille Ozean vorkam, entwickelte sich zum brodelnden Meer.
Und mitten in dieses brodelnde Meer hinein, schenkte meine Mutter ein.
‚Hier, noch ein Gläschen. Prost!‘
Ich ganz Mann, trank, nun allerdings in kleinen, sehr kleinen Portionen.
Und mit jeder Portion wuchsen die Wellen.
Und mitten auf einem dieser Wellenkämme kam meine Mutter mit der Flasche in der Hand.
Ich wusste nun um die grüne Magie.
Ich wollte nicht mehr….ich konnte nicht mehr.
Was ich brauchte war ein Einfall.
Ein logischer Einspruch.
Einer, der mich nicht wieder zu einem Kind werden ließ, etwas, was Sie akzeptieren mussten.
Und dann, wie aus dem Nichts, war es da.
Ich blickte meine Mama an und sagte:
Nein danke! Nichts mehr. Ich will ja auch noch was für die Feiertage haben.
Kann sich einer von euch das Brüllen vorstellen.
Der Raum bebte vor Gelächter.
Und mittendrin der kleine Otti. Er saß da mit glasigen Augen und lächelte mit ihnen.
Und im Fort machten sich 40 Cowboy- bwz. Indianerfiguren ganz alleine übereinander her.
Waren es nicht anfangs 20 Figuren gewesen?
Ihr Lieben
Ich wünsche euch von Herzen ein besinnliches,
ganz ganz wundervolles Weihnachtsfest.
Fühlt euch umarmt!
Alles Liebe euch und euren Lieben
Otti