Du! Ich hab jetzt grad mit Gott gesprochen. Hab ihm erzählt, dass er sich um mich keinen Kopp machen muss. Von wegen alles im grünen Bereich und so. Stattdessen solle er sich, bat ich ihn, doch mal um den Manfred kümmern. Ei die weil der doch so fertig iss. Der kommt einfach nicht drüber hinweg, dass sich seine Frau umgebracht hat. Da kannste den noch so viel von wegen Depression iss ne Krankheit erzählen. Der nickt zwar und sagt dass er das alles weiß, aber dann kommt immer ein: Ja aber. Und all die ja aber betreffen ihn. Von wegen, dass er hätte besser aufpassen müssen. Und noch viel mehr Liebe schenken. Und dass es bestimmt auch dran gelegen hat, weil er, der Manfred, der Manfred sei. Ei die weil er selbst so oft verzweifelt war, wär er wie ein schwarzes Tuch für seine Frau gewesen. Aber er wär´ sich so hilflos vorgekommen. So hilflos, wenn er in die Augen von seiner Frau schaute und dort kein Leben fand. Aber vor allen Dingen hätte er merken müssen, dass ihn seine Frau aus dem Haus haben wollte, an jenem Tag. Aus dem Haus, damit sie das alles regeln konnte, von wegen dem Abschiedsbrief (es tut mir leid), dem Strick und dem Erhängen und so. Überhaupt wäre er seiner Frau kein guter Mann gewesen. Sonst hätte sie ja nie eine Depression bekommen. Und hätte sich schließlich und endlich nicht umgebracht. Du, lieber Gott, hab ich zum lieben Gott gesagt, du musst nur mal in deine Akten schauen. Da wirste sehen, dass der Manfred ein guter Mensch iss und ein guter Ehemann war. Und darum, hab ich zu Gott gesagt, wäre es jetzt an der Zeit, ihm war Gutes zu tun. So im Sinne von ‚alles wird gut‘ in Herz und Seele betten. Schließlich habe er ja die Mittel dazu. Wenn nicht er, wer sonst, hab ich dem lieben Gott gesagt. Und jetzt warte ich mal auf die Zeichen. So lange höre ich dem Manfred zu. Und wenn er ganz schlimm auf sich herumhackt, hab ich auch ein paar ‚ja aber‘ für ihn auf Lager.
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Du! Jetzt hab ich den Hermann mal gefragt. Ei die weil der in unsrer Dorfpolitik immer voll den Demokrat am geben ist. Ich hab den Hermann also gefragt, wo er damals gewesen sei. Und was…und überhaupt. Und weißte was…damals hört der Hermann nicht so gerne. So im Sinne von…damals war ich noch nicht da. Ich den aber weiter voll gepiesackt. Von wegen…weißt schon, damals, beim Adolf. Du…da hat der Hermann erst einmal geguckt. So wie…Adolf?...nie gehört. Und damals hat es eh nie gegeben. Aber weißte was…einer von den Alten hatte mir etwas erzählt. Und darum ich den Hermann weiter am piesacken. Jetzt hör aber auf Hermann, du warst doch damals ein junger gestandener Kerl. Hast doch bestimmt eine Uniform angehabt. Oh, oh, oh. Du…der Hermann mich so am angucken. Und dann am losplärren von wegen damals hätten alle ein Uniform angehabt. Wär´ ja gar nicht anders gegangen, beim Hitler. Man hätte ja gemusst. Gerne natürlich nicht…aber man musste ja. Und von wegen, dass ich eh keine Ahnung hätte. Ich wäre ja ein Kind der Demokratie, der Demokratie, die er, der Hermann, mit aufgebaut hätte. Damals, ja damals, dass wären andere Zeiten gewesen. Da hätte man mitlaufen müssen, sonst wäre man Ruck Zuck weg gewesen. Und du….ich den Hermann sich voll in Rage reden lassen. Und dann, als der endlich mal atmen musste, gefragt, welche Farbe seine Uniform hatte. Du, da iss unser Hermann so was von im Dreieck gehüpft, haste nicht gesehen. Uniform! Uniform iss Uniform iss Uniform, hat er geschrien. Es wär´ damals, also damals! hat er dann noch mal betont, alles so richtig gewesen. Schließlich wäre die ganze Welt am Abgrund gestanden. Da hätte es einen wie den Hitler gebraucht. Und der Hitler. Man solle mal zu den Amis gucken. Was die angerichtet hätten. Damals. Von wegen Hiroshima und so. Und über die Lügen würde er gar nicht reden. Du! Da hab ich den Hermann gefragt, von welchen Lügen er rede. Du! Unser Hermann jetzt voll am explodieren, von wegen ich wüsste genau, von welchen Lügen er spräche. Er, der Hermann, sei in Polen gewesen. In Warschau…genau! Und er, der Hermann hätte da nix von gesehen, von diesen Geschichten mit Ghetto und so. Aber man hätte ja einen Sündenbock gebraucht. Und da wäre die Judenlüge denen gerade recht gekommen. Dabei wären sie, die Juden, es doch gewesen, die an den Pranger hätten gestellt werden müssen. Von wegen was die in der Geschichte schon alles angestellt hätten. Man solle doch nur einmal an unseren armen Herrn Jesus denken, hat der Hermann gesagt, und in seinem Gesicht standen Gift und Galle und all unausgesprochenen Geschichten von damals. Ich las sie von seinem Gesicht ab und dachte so für mich: Ja, so ist das wohl.
_________________ Der Kopf denkt weiter als man denkt.
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