Träume sind den Anderen vorbehalten. Die Worte hängen wie eine Sprechblase über deinem Kopf.
Wenn du durch Delkenheim gehst, meint man die Totenglocken zu hören. Das Krächzen der Turmwächter erschallt lauter, wieder und wieder von den grauen Nebelwänden zurückgeworfen. „Wer hat Angst vor der dunklen Frau“ schreien die Kinder, bevor sie angsterfüllt hinter der nächsten Ecke verschwinden. Du bist einer dieser Dorfgeister, um die sich Sagen ranken. Trägst immer diese Gummistiefel. Betrachtest sie bei jedem Schritt deines gekrümmten Körpers. Als hättest du Angst, dass sie dir fortlaufen könnten. Du sprichst nichts. Reichst beim Einkauf deinen Zettel und wartest. Vielleicht führst du heimliche Gespräche mit deinen Stiefeln, während du da stehst. Eine Statue, deren Sinn verborgen bleibt. Das Haus hast du von deinem Vater geerbt. Er hat dich eines Tages mitgebracht. Keine Mutter, kein Woher. Nichts… Der Poststellenleiter und sein stummes Kind. Dieses gekrümmte Kind in seinen alten Klamotten. Spott und Hohn über dich. Spott und Hohn. Später, viel später, verschwand dein Vater. Du bliebst zurück. Keine Fragen, keine Antworten. Die Rollläden deines Hauses ständig geschlossen. Die Dunkelheit darin hat gewiss längst alles Hell verschluckt. Mit wem teilst du dein Leben? Ob die nächtlichen Fledermäuse bei dir Unterschlupf finden? All die räudigen Hunde das Bett mit dir teilen? Gibt es etwas Persönliches hinter diesen Wänden? Fotoalben, Erinnerungen, Zeit? Gibt es dich? Du bist mir ein Rätsel, alte Frau.
_________________ Der Kopf denkt weiter als man denkt.
Zuletzt geändert von Otti am Do 14. Dez 2006, 08:18, insgesamt 1-mal geändert.
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