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"Ich und die anderen ist herkömmliche Romanliteratur vom Feinsten und doch genauso phantastisch wie die vorangegangenen Bücher, nur dass der Autor uns diesmal in die reiche, fremde und manchmal Furcht erregende Landschaft der Seele entführt", schreibt Barbara Quick im San Francisco Chronicle. Die "vorangegangenen Bücher" -- das sind Matt Ruffs wundervolle Erfolgsromane Fool on the Hill und G.A.S., und das schöne an diesem Zitat ist die Feststellung, dass Ruffs neustes Werk zwar nicht phantastisch, aber trotzdem großartig ist – für gewöhnlich argumentiert das Feuilleton andersherum. Andy Gage hat ein sehr grundlegendes Problem: Er hört Stimmen! Natürlich führen wir alle gelegentlich mehr oder minder ausführliche Dialoge in unseren Gedanken -- wenn uns Gewissensbisse plagen oder ein wichtiges Gespräch bevorsteht. Aber Andy teilt seine Gedankenwelt gleich mit Dutzenden von Seelen, die ihn in den unpassendsten Momenten auch mal in die zweite Reihe verdrängen und die Kontrolle über seinen Körper übernehmen. Mit psychiatrischer Hilfe ist es Andy in den letzten beiden Jahren gelungen, ein gewisses seelisches Gleichgewicht zu finden und ein ansatzweise normales Leben zu führen. Zusammen mit Doktor Grey hat er einen Zeitplan entwickelt, der es allen seinen unterschiedlichen Persönlichkeiten ermöglicht, in der "Realität" zu leben und sich dort zu verwirklichen.
Andys Leben verändert sich radikal, als er Julie Sivik kennen lernt. Julie betreibt eine Softwarefirma namens "Reality Factory". Ihr wird schnell klar, dass ein Mensch mit Multiplen Persönlichkeitsstörungen der ideale Berater bei ihren Projekten sein könnte, und sie bietet dem sonderbaren jungen Mann einen Job an. Andy fühlt sich in der "Reality Factory" auch sichtlich wohl -- bis Julie eines Tages Penny Driver einstellt, eine Frau, die in ihrem Kopf ebenfalls nicht alleine ist. Gemeinsam versuchen Julie und Andy, ihr einen Weg zu weisen, wie sie damit umgehen kann. Allerdings hat Andy nicht damit gerechnet, dass dabei auch sein peinlich genau strukturiertes Leben durcheinander geraten könnte ...
Seit dem eindrücklichen Roman Hannah und die Anderen von Adriana Stern gab es kein Buch mehr, dass sich so überzeugend mit Multiplen Persönlichkeitsstörungen auseinander setzt. Matt Ruff hat sich eines sensiblen Themas angenommen und daraus -- durchaus respektvoll und mit trockenem Humor -- große Literatur gemacht. Mit diesem Roman hat er endgültig bewiesen, dass er in keine Genre-Schublade gehört. Hoffen wir, dass wir auf sein nächstes Buch nicht wieder sechs Jahre warten müssen. --Hannes Riffel
Auszug:
»Wird das nicht eine Stange Geld kosten?« »Ein paar der nötigen Ersatzteile schon. Aber ich glaube, die meisten Arbeiten kann ich selbst erledigen... Würden Sie eben mal das Fenster runterkurbeln und den Arm rausstrecken? Wir müssen hier rechts abbiegen.« Vielleicht um vom Thema Autoreparatur abzulenken, fing Julie an, von sich selbst zu erzählen. Sie war vierundzwanzig und stammte aus Rhode Island, hatte aber, seit sie mit sechzehn zu Hause ausgezogen war, schon an recht unterschiedlichen Orten gewohnt. Sie hatte ein paar Jahre an der Uni Boston studiert – nacheinander Physik, Maschinenbau und Informatik –, ohne allerdings in irgendeinem Fach einen Abschluß zu machen; danach hatte sie hier und da gejobbt: als Labortechnikerin, Maschinenschlosserin, Tankwartin, Museumsführerin, Bühnenbildnerin bei einem Low-Budget-Horrorfilm, Brandwächterin, Schnellimbißköchin, Kartengeberin in einem Spielkasino, Schildermalerin für das Bauamt von Eugene, Oregon, und zuletzt als Assistentin eines Physiotherapeuten in Seattle. »Allerdings noch nie auf einer Farm«, sagte sie und grinste. Jedenfalls, fuhr sie fort, da es mit der Physiotherapie nicht mehr so besonders lief, habe sie entschieden, es sei an der Zeit, mit dem Rumgemurkse aufzuhören und ihr Leben in Ordnung zu bringen, ernsthaft mit einem Beruf anzufangen. Mit Hilfe des Onkels, der ihr den Cadillac verkauft hatte, habe sie ein Existenzgründungsdarlehen aufgenommen und in Autumn Creek ein Gebäude angemietet, um eine Firma für Software-Design zu eröffnen. »Was für Software wollen Sie denn designen?« »Virtual-Reality-Software«, sagte Julie. Sie sah mich dabei so an, als müßte ich wissen, was das bedeutete, aber der Ausdruck war mir völlig neu. »Was ist Virtual Reality?« »Sie arbeiten im Bit Warehouse und wissen nicht, was Virtual Reality ist?« »Ich arbeite hier noch nicht sehr lange.« »Mann, das würde ich aber auch sagen.« »Also, was ist das?« Anstatt zu antworten, wechselte sie wieder das Thema – dachte ich jedenfalls. »Erzählen Sie mir von diesem Haus in Ihrem Kopf.« Mittlerweile saßen wir in der Bar auf der Bridge Street, in einer Nische direkt neben der Juke-Box. Julie hatte für uns beide das »Saturday Night Special« bestellt, womit, wie ich zu spät feststellte, ein Dreieinhalbliterkübel Schwarzbier gemeint war. Alkoholtrinken verstieß gegen die Regeln meines Vaters, und ich hatte eigentlich einen Sprudel bestellen wollen, aber da ich meinen Fehler nicht eingestehen wollte, ließ ich zu, daß Julie mir einschenkte, rührte dann aber, während wir weiterredeten, das Glas nicht an. Ich erzählte ihr vom Haus: vom dunklen »Zimmer« in Andy Gages Kopf und von meines Vaters Bemühungen, dort statt dessen einen geographischen Raum zu erschaffen. Meine Ausführungen fielen nicht so klar aus, wie ich es mir gewünscht hätte; zum erstenmal erzählte ich jemandem eine Geschichte, und ich war nervös, wußte nicht so recht, welche Details ich einbeziehen und in welche Reihenfolge ich sie bringen sollte. Daß ich einen ständig dazwischenquatschenden Kritiker hatte, machte die Sache auch nicht einfacher. Mein Vater war so diskret gewesen, die Kanzel zu verlassen, aber Adam stand noch immer da oben. Er fand, ich sei dieser wildfremden Frau gegenüber viel zu offen. »Aber was spricht dagegen? Du hast doch selbst gesagt, daß sie ungefährlich ist.« »Ich hab gesagt, daß sie keine Axtmörderin ist. Das heißt noch lange nicht, daß es okay ist, ihr alles über uns zu erzählen.« »Ich erzähl ihr –« »Horace Rollins ist also Ihr Vater?« fragte Julie, ohne zu merken, daß sie uns unterbrochen hatte. Ich schreckte zusammen. »Nicht mein Vater«, antwortete ich. »Andy Gages Vater. Andy Gages Stiefvater. Mit mir ist er überhaupt nicht verwandt. Mit Andy Gage genaugenommen auch nicht.« »Ihr wirklicher Vater ist also gestorben?« »Andy Gages Vater«, korrigierte ich. »Silas Gage. Er ist ertrunken.« »Andy Gages Vater... Wenn Sie also von Ihrem Vater sprechen, meinen Sie nicht Silas Gage, Sie meinen auch nicht Horace Rollins, sondern eine andere Persönlichkeit. Eine andere ›Seele‹.« »Aaron«, sagte ich nickend. »Mein Vater.« »Der, der Sie aus dem See herausgerufen... Der Sie erschaffen hat.« »Richtig.« »Und wann war das genau?« wollte Julie wissen. »Daß er Sie herausgerufen hat?« Ich hatte gehofft, daß sie diese Frage nicht stellen würde. Im Gegensatz zu dem, was Adam mir vorwarf, hatte ich Julie durchaus eine Reihe von Dingen verschwiegen. In den meisten Fällen waren diese Auslassungen instinktiv erfolgt, und ich hätte damals nicht sagen können, von welchen unbewußten Erwägungen ich mich hatte leiten lassen. Warum ich aber mein eigentliches Geburtsdatum verschwiegen hatte, wußte ich durchaus: Es war mir peinlich. Julie hatte so viel Lebenserfahrung und ich so wenig, daß ich befürchtete, sie würde an einer Freundschaft mit mir nicht weiter interessiert sein, sobald sie wüßte, wie unreif ich in Wirklichkeit war. Aber jetzt konnte ich mich nicht mehr drücken. »Vor einem Monat«, gestand ich. »Ich bin vor einem Monat aus dem See gestiegen. Mir ist klar, daß ich wahrscheinlich ziemlich naiv wirke –« »Moment mal«, sagte Julie. »Sie sind einen Monat alt?« »Nein«, sagte ich verwirrt. »Ich bin sechsundzwanzig Jahre alt. Ich wurde vor einem Monat geboren.« Julie schüttelte den Kopf. »Wie kann beides gleichzeitig wahr sein?« »Es ist eben so«, sagte ich. »Wo liegt das Problem?« »Dann ist also Ihr Körper sechsundzwanzig?« »Nein, der Körper ist neunundzwanzig.« »Was von Ihnen ist denn dann sechsundzwanzig?« »Meine Seele.« Julie schüttelte wieder den Kopf. Ich rief Adam zu Hilfe. »Also gut... Adam sagt, da Ihr Körper und Ihre Seele von jeher miteinander zusammenhängen, sind sie praktisch Spiegelbilder voneinander. Sie sind wie Zwillinge.« »Sie meinen damit, sie sehen gleich aus? Seelen haben ein Aussehen?« »Natürlich.« Julie lachte. »Dann hat meine Seele also schiefe Zähne?« »Wahrscheinlich«, sagte ich mit einem Blick auf ihren Mund. »Wenn Ihr Körper welche hat... Und sie hat dieselbe Augenfarbe und dieselbe Statur und dieselbe Stimme – und dasselbe Alter. Bei uns liegt die Sache aber anders. Keiner von uns ist ständig im Körper, deswegen besteht nicht dieselbe enge Beziehung. Adam sagt –« »Wer ist Adam?« »Mein Cousin.« »Sie meinen, eine weitere Seele? Wie Ihr Vater?« »Ja.« »Und wie alt ist Adam?« »Adam ist fünfzehn.« »Ist er schon immer fünfzehn gewesen, oder ist er älter geworden?« »Er ist ein bißchen älter geworden.« »Wieviel ist ›ein bißchen‹?« »Na ja, das ist schwer zu sagen. Es hängt davon ab, wieviel Zeit er draußen verbracht hat. Adam hat sich immer wieder mal Körperzeit gestohlen – wie die anderen übrigens auch. Wenn man all diese gestohlene Zeit addierte und die Zeit hinzuzählte, die ihm offiziell eingeräumt wurde, seit mein Vater die Verantwortung übernommen und mit dem Bau des Hauses begonnen hat, dann wüßte man, um wieviel älter er tatsächlich geworden ist. Mein Vater schätzt, es müßte ungefähr ein Jahr sein, aber Adam will es nicht sagen.« »Er möchte nicht, daß Ihr Vater erfährt, wieviel Zeit er tatsächlich gestohlen hat«, vermutete Julie. »Er möchte nicht erklären müssen, was er damit angefangen hat«, sagte ich. »Seelen altern also nur, wenn sie die Kontrolle über den Körper haben?« »Natürlich.« »Warum?« »Ich weiß auch nicht. Es ist eben so.« »Was meint Adam dazu?« »Adam meint... Adam sagt: aus demselben Grund, weswegen man beim Poker nicht besser wird, solange man nicht um echtes Geld spielt. Tut mir leid, ich weiß nicht, was das heißen soll.« »Schon okay«, sagte Julie. »Ich glaube, ich verstehe.« Sie griff nach der Bierkanne, um sich nachzuschenken, und sah, daß ich noch nichts getrunken hatte. »Was ist los?« sagte sie. »Mögen Sie keinen Stout?« »Eigentlich trinke ich überhaupt keinen Alkohol«, gestand ich und fühlte mich irgendwie ertappt. »Hausregel.« »Ganz sicher?« Sie hielt die – noch immer mehr als halbvolle – Kanne in die Höhe. »Wenn ich das allein austrinke, müssen Sie mich wahrscheinlich raustragen.« »Tut mir leid. Ich hätte es gleich sagen sollen.« »Nein, ist schon in Ordnung. Ich hätte fragen sollen.« Sie deutete auf die Bar. »Möchten Sie was anderes?« »Nein, wirklich, ich bin wunschlos glücklich.« »Ganz wie Sie möchten...« Sie goß sich nach und sagte dann: »Also erzählen Sie mir jetzt von Ihrer Seele.« »Was möchten Sie wissen?« »Na – wie sehen Sie wirklich aus? Wenn ich Ihre Seele sehen und mit dem vergleichen könnte, was ich jetzt sehe, was wäre dann anders?« »Och«, sagte ich. »Eigentlich nicht viel. Ich sehe meinem Vater sehr ähnlich, und mein Vater ähnelt Andy Gage mehr als jede andere Seele, ausgenommen... Also, sie sind sich jedenfalls sehr ähnlich.« »Aber es gibt auch gewisse Unterschiede?« »Ein paar. Ich habe dunklere Haare und ein schmaleres Gesicht – und es ist auch irgendwie ein bißchen anders zusammengesetzt.« »Was noch?« »Na ja, Narben.« Ich deutete auf den Schmiß über Andy Gages rechtem Auge. »Jake – das ist noch so ein Cousin von mir – hat sich das mal geholt, als er im Körper war. Er ist gestolpert und gegen die Kante eines Glastisches geknallt. Jakes Seele hat die gleiche Narbe, aber meine nicht, weil –« »Weil das nicht Ihnen passiert ist.« »Genau.« »Und was ist damit?« Julie berührte eine Stelle an der linken Handfläche des Körpers, direkt unterhalb des Ballens. Ihre Finger waren vom Bierglas kühl und feucht und fühlten sich auf eine mir bisher unbekannte Weise gut an. Aber als mir bewußt wurde, wovon sie sprach, zog ich die Hand zurück. »Das ist meinem Vater passiert«, sagte ich. »Er hat sich einen Bonspieß da reingerammt.« Ich glaube, Julie merkte, daß das nicht die ganze Geschichte war, aber sie bohrte nicht nach. »Sonst noch irgendwelche Unterschiede?« fragte sie. »Nur ein paar Kleinigkeiten. Nichts von Bedeutung.« Auf der Kanzel stieß Adam ein verächtliches Schnauben aus. »Klar doch, nichts von Bedeutung. Nichts außer –« »Adam!« warnte ich ihn. »Was ist?« sagte Julie. »Nichts«, antwortete ich. »Adam hat bloß etwas sehr Unhöfliches gesagt, das ist alles.« Sie beugte sich neugierig vor. »Was hat er denn gesagt?« »Es ist wirklich nichts. Adam benimmt sich wieder mal daneben.« »Hat er die ganze Zeit zugehört?« Ich nickte. »Zugehört und seinen Senf dazugegeben. Das macht er immer so.« »Könnte ich mal mit ihm reden?« Es war ein harmloser und, wie ich mit der Zeit erfahren sollte, bei Nichtmultiplen alles andere als seltener Wunsch. Wie mit vielen anderen Fragen erwischte Julie mich aber damit auf dem falschen Fuß; anstatt zu begreifen, daß sie lediglich auf Adam neugierig war, dachte ich im ersten Moment nur, sie wolle nicht mehr mit mir reden. »Was hab ich falsch gemacht?« fragte ich Adam. »Gar nichts hast du falsch gemacht. Sie ist nicht sauer – sie möchte bloß ein Kunststück sehen.« »Ein Kunststück?« »Einen Zaubertrick.« »Möchten Sie einen Zaubertrick sehen?« fragte ich Julie, jetzt wieder verwirrt. »Was?« sagte Julie. »Hier«, warf Adam ein, »ich zeig dir, was ich meine. Laß mich nur einen Moment in den Körper...« Ich hätte es ihm nicht erlauben dürfen; selbst meine einmonatige Lebenserfahrung hätte mir sagen müssen, daß Adams »Großzügigkeit« nicht zu trauen war. Aber er klang so selbstsicher, und ich war so ratlos, daß ich mich auf die Kanzel zurückzog und ihn ans Ruder ließ. Jetzt bekam Julie einen Schrecken. Wer noch nie Zeuge eines Persönlichkeitswechsels war, erwartet oft eindrucksvolle körperliche Veränderungen, wie wenn einem Werwolf im Licht des Vollmonds ein Pelz und Reißzähne sprießen. In Wirklichkeit aber geht es viel weniger spektakulär zu – der Körper verändert sich nicht, nur die Körpersprache, aber das kann auf den Betrachter eine weit beunruhigendere Wirkung haben. Ich bin ein eher schüchterner Typ, und auch wenn ich mich bemühe – da es sich nun mal so gehört –, im Gespräch meinem Gegenüber in die Augen zu sehen, habe ich einen (wie Tante Sam es nennt) »höflich unaufdringlichen Blick«. Adam ist natürlich das genaue Gegenteil von unaufdringlich. Kaum hatte er den Körper von mir übernommen, hatte er nichts Eiligeres zu tun, als Julie mit seinem proletenhaftesten pubertären Grinsen zu bedenken. Ich merkte es an ihrer Reaktion: Sie hörte abrupt auf zu lächeln und lehnte sich abwehrbereit zurück. Das war der erste Hinweis darauf, daß ich einen gewaltigen Fehler gemacht hatte. »Hallo, Julie«, sagte Adam mit einer seidenweichen Stimme, die sogar mir ein wenig angst machte. »Jetzt schau genau hin.« Er hob den rechten Arm und schwenkte ihn in der Luft. »Nichts in diesem Ärmel...« Er tat dasselbe mit dem linken Arm. ».... und nichts in diesem.« Er senkte die Arme, führte sie zusammen und umklammerte mit beiden Händen den Bierkrug. »Guck...« »O nein«, sagte ich. »Adam! Nein!« Das Bier. Natürlich: Er hatte es auf das Bier abgesehen. Alkoholtrinken verstößt gegen die Regeln des Hauses, aber Adam schert sich nicht um Regeln – er ist schließlich Gideons Sohn. Und er zieht das Trinken sogar noch dem Playboy-Lesen vor. Als er den Krug an die Lippen hob, versuchte ich, ihm den Körper wieder zu entreißen, aber er war fest entschlossen, dranzubleiben, bis er mit seiner Vorstellung fertig wäre. Er brauchte nicht lange gegen mich zu kämpfen. Schnellsaufen gehört zu Adams am besten ausgebildeten »Talenten«: Er legte lediglich den Kopf in den Nacken, und der Stout gurgelte ihm ohne jede Schluckpause den Schlund hinunter wie Wasser, das durch eine Regenrinne läuft. »Aaaaaaaaahhhh –« Adam knallte den leeren Krug auf den Tisch. Dann schnappte er sich mit je einer Hand Julies und mein Glas, goß sich beide in den Hals, als wären es Schnapsgläschen, und endete mit einem Tusch: »TA-DAAA!!!« Dann beugte er sich über den Tisch, öffnete den Mund und rülpste Julie mit Donnerhall ins Gesicht. Und das war’s. Über seinen Streich hysterisch kichernd, flitzte Adam aus dem Körper und rannte ins Haus zurück, womit es mir überlassen blieb, die Folgen auszubaden. Julie sah so aus, als habe man sie geohrfeigt: Sie saß stocksteif da, die Hände starr an der Tischkante, als habe sie ihn von sich stoßen wollen und sei dabei schockgefroren worden. Im Haus konnte ich meinem Vater vor Wut brüllen und, davon halb übertönt, eine Tür zufallen hören, als Adam, noch immer rotzig meckernd, sich in seinem Zimmer verbarrikadierte – aber das war alles sehr weit entfernt. Mein unmittelbares Universum bestand aus Julie und ihren entsetzt aufgerissenen Augen. Ich warf mich zurück und preßte mir die Hände vor den Mund, als könnte ich Adams Rülpser wieder zurücknehmen. Ich hätte in dem Moment sonstwas dafür gegeben, selbst den Körper verlassen zu können, ihn und die ganze Situation einer anderen Seele zu überlassen; aber das war nicht erlaubt. Ich konnte Seferis zu Hilfe rufen, wenn ich körperlich angegriffen wurde, aber mit Peinlichkeiten fertig zu werden lag ausschließlich in meiner Verantwortung – selbst wenn ich gar nichts dafür konnte. Hausregel. »Es tut mir furchtbar leid...« Die Worte sprudelten mir, halberstickt von den Händen, die noch immer meinen Mund bedeckten, nur so heraus. »Es tut mir wirklich furchtbar leid, Julie...« Julie blinzelte und erwachte wieder zum Leben. »Das war Adam?« fragte sie. Ich nickte. »Das war Adam.« --
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und...
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