Schon merkwürdig, eine Science Fiction-Geschichte zu lesen, deren dargestellte Zukunft schon wieder ein ganzes Stück in der realen Vergangenheit liegt – das Buch erschien 1968 und spielt im Jahr 1992 auf einer durch einen atomaren Weltkrieg weitgehend zerstörten Erde, von der Menschen auswandern, um andere Planeten und Sterne zu kolonisieren. Da uns 1992 schon ziemlich weit zurückzuliegen scheint und wir uns andererseits der Grenzen dessen, was in dem Roman an technischen Errungenschaften vorausgesetzt wird – die Entwickung menschenähnlicher Roboter und die technischen Möglichkeiter der Raumfahrt – selbst für das aktuelle Jahr 2014 völlig utopisch erscheinen, kommt es bei der Lektüre zu einer Art zeitlichen Verwirrung, die allein schon zu denken gibt. Das Buch erhält dadurch eine unbeabsichtigte, unvorhergesehene Dimension, die zu seiner Nachdenklichkeit noch beiträgt. Ich muß dazu sagen, daß ich mich sonst überhaupt nicht auskenne mit Science Fiction-Literatur, deshalb weiß ich nicht, inwieweit das Buch repräsentativ für dieses Genre ist. Für mich ist es jedenfalls ein nachdenkliches Buch. Es stellt Fragen nach dem, was einen Menschen ausmacht im Unterschied zu künstlicher Intelligenz, und hierin mag es nach anfänglich euphorischen Erwartungen in die Möglichkeiten ihrer Entwicklung vor einigen Jahrzehnten inzwischen zu einer größeren Bescheidenheit gekommen sein. Jedenfalls hörte ich gerade kürzlich in einer wissenschaftlichen Radiosendung, daß offenbar die Komplexität des menschlichen Gehirns bislang jede Aussicht auf Nachahmung desselben unendlich übersteigt, darüber scheint man sich heute weniger Illusionen hinzugeben. In Philip K. Dicks Vorstellung unterscheiden sich Roboter von Menschen durch ihre Fähigkeit zu Empathie. Er stellt sich allerdings vor, daß Menschen immer besser in der Lage sein werden, alle menschlichen Eigenschaften mit technischen Mitteln nachzuahmen, einschließlich der Fähigkeit zu Empathie, wodurch sich am Ende die Grenzen zwischen Menschen und Robotern verwischen. Hierin liegt die eigentliche Problematik seines Romans.
Es mag sich nun um eine zeitlich bedingte Verschiebung der Perspektive handeln, aber ich persönlich habe mehr Probleme damit, daß offenbar zahllose lebendige MENSCHEN unfähig sind, Empathie zu empfinden und entsprechend zu handeln, als daß ich besorgt wäre über die Entwicklung künstlicher Intelligenz, die sich der menschlichen Kontrolle entziehen und sich selbständig machen könnte. Für mich ist es der MENSCH, der erfahrungsgemäß und nachweisbar zu allem fähig und bereit ist, was in Science Fiction auf Roboter, Androiden und dergleichen projiziert wird. Ob das hilfreich ist für unser menschliches Nachdenken? – Darüber weiß ich zu wenig und will mir deshalb kein Urteil erlauben.
Ich weiß nur, daß „Blade Runner“ eine reichlich deprimierende Lektüre ist.