Mit viel Einfühlungsvermögen schildert der Autor dieses Buches den Werdegang dreier Geschwister, die durch einen Unfall beide Eltern verlieren und fortan in einem Schulinternat aufwachsen. Erzähler ist das jüngste der Geschwister, Jules, zum Zeitpunkt des Todes seiner Eltern elf Jahre alt. Verletzt im Krankenhaus liegend, denkt er viele Jahre später in Vor- und Rückblenden über sein Leben und das seiner Geschwister nach. Wie ist alles so gekommen, wie es kam?
Jules sammelt all die Bruchstücke zusammen, an die er sich noch erinnern kann aus der Zeit, als seine Eltern noch lebten, an das Gefühl der Geborgenheit, aber auch an Risse, an Niederlagen, die er als Kind nur halb oder gar nicht verstand, Szenen, die zusammenhangslos im Raum stehengeblieben sind.
Die Geschwister wachsen heran zu drei sehr unterschiedlichen Menschen, die sich zunächst immer weiter voneinander entfernen, ihre Eigenarten ausbilden, Irrwege gehen, Möglichkeiten testen. Drogen spielen hinein, Studien werden hingeworfen und wiederaufgenommen, Reisen in die weite Welt gemacht. Dann, nach einer Reihe von Jahren, konvergieren die Geschwister unwillkürlich wieder aufeinander zu, treffen sich zu einem gemeinsamen Urlaub, tauschen Erinnerungen, bringen sich auf den Stand der Dinge, helfen einander auf den weiteren Weg, werden langsam klüger und weiser. Irgendwann finden sich alle wieder an einem Ort im selben Haus wieder, zusammen mit ihren Partnern und Kindern, schaffen eine neue Geborgenheit - die sich schon bald bewähren muß, als eine neue persönliche Katastrophe über Jules hereinbricht: seine Frau erkrankt unheilbar und stirbt. Ihre beiden Kinder werden von der Großfamilie aufgefangen, als Jules in seiner verzweifelten Trauer mit dem Motorad einen Unfall hat, von dem unklar bleibt, ob es sich nicht doch um einen Selbstmordversuch handelte. Er hat Glück, kommt mit ein paar Knochenbrüchen davon und sieht ein, daß er um ein Haar seinen beiden Kindern angetan hätte, was ihm als Kind widerfahren ist. Er, der immer das Schreiben geliebt hat, macht sich nun ernsthaft an die Arbeit, den Roman seines Lebens zu vollenden. Seine Frau wäre gern eine Romanfigur geworden, und diesen Wunsch erfüllt er ihr nun.
„Das Leben ist kein Nullsummenspiel. Es schuldet einem nichts, und die Dinge passieren, wie sie passieren. Manchmal gerecht, so daß alles einen Sinn ergibt, manchmal so ungerecht, daß man an allem zweifelt. ... Auf einmal schäme ich mich, daß ich mich in den Wochen davor in meine Traumwelten geflüchtet hatte. Aber nur dort konnte Alva noch am Leben sein. Dort, wo auch meine Eltern noch zu finden sind. Die Erinnerung, letzte Zuflucht der Toten.“
Erinnerer und Bewahrer, der er in Wahrheit immer war, will er nun auf immer sein.
Von der großen Vielfalt diese Buches konnte ich hier nur Weniges anreißen von dem, was mir am wichtigsten erscheint. Man sollte sich tief einlassen auf diese lange und schön erzählte Geschichte, denn sie belohnt ihren Leser reich.