Das ungewisse Licht von Krieg und Nachkrieg wirft vielleicht immer ein besonderes Schlaglicht auf etwas, das weitgehend für menschliches Bewußtsein auch in "normalen" Zeiten gilt - die Ungewissheit von Erinnerung und Wahrnehmung, von echt und falsch, von Schein und Wirklichkeit. Krieg und Nachkriegszeit sind allerdings eine Zeit der ins Fließen geratenen Übergänge zwischen legal und illegal. Begriffe wie Zwielicht und Halbwelt kommen hier ins Spiel, ins Spielen, und schaffen spannende neue Freiheiten und Erlebnisräume, die Ondaatje sehr einprägsam schildert. Bedingt durch die alles durchdringennde Unsicherheit seiner Jugend in der Zeit unmittelbar nach dem Ende des zweiten Weltkriegs sucht der älter gewordene Protagonist des Romans später nach Spuren und Anhaltspunkten für sein Bild von der Erfahrung dieser Zeit, aber es bleibt weitgehend bei jenem Zwielicht, in dem sich alle seine Erinnerungen bewegen, und die Aufgabe für einen Autor kann dann eigentlich nur sein, eine Form für dieses ungewisse Licht zu finden. Ondaatjes Werk befindet sich für mich in direkter Linie jener Einsichten über die Art, wie menschliches Bewußtsein wirklich arbeitet, die zum Beispiel Virginia Woolf versucht hat umzusetzen. Es gehört immer noch zu dem langen Abschied von den Gewißheiten des europäischen bürgerlichen Romans, das ist mein Eindruck. Es ist nicht leicht, auf diese Weise spannend zu erzählen, aber im Großen und Ganzen habe ich das Buch gern und mit Gewinn gelesen.
_________________ bye, bye, my I
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