Gestern Abend habe ich die letzten Seiten gelesen von Sten Nadolnys "Die Entdeckung der Langsamkeit". Ich war zwar hundemüde, aber zuklappen wollte ich das Buch erst am Ende der Geschichte.
Vor zwei Monaten habe ich einiges über Zeitmanagement gelesen und über den Begriff der "Entschleunigung". In diesem Zusammenhang wurde ein Buch erwähnt, dessen Titel mich reizte (so viel zur Bedeutung von Titeln). In den letzten zwei Wochen begleitete es mich jeden Abend eine halbe oder eine Viertelstunde auf meinem Weg in den Schlaf. Nein, es ist nicht einschläfernd, aber es ist ein ruhiges Buch. Ein nachdenkliches Buch.
Die Geschichte über John Franklin beruht auf der Biographie des englischen Seefahrers und Nordpolforschers. Die Figur im Roman hat aber wohl andere Charakterzüge als das Original. John Franklin ist von Kindheit an ein extrem langsamer Mensch. Als Junge vermag er nicht, einen Ball zu fangen, da dieser grundsätzlich zu schnell für ihn ist. Weil er sich dessen bewusst ist, lernt er, sein Defizit auszugleichen mit genauen Beobachtungen und gründlichem Nachdenken. Er spielt im Geiste verschiedene Szenarien durch, legt sich Lösungsmöglichkeiten zurecht, überlegt sich Sätze für diverse Gelegenheiten. Nach der Schulzeit fährt Franklin zur See, träumt von der Entdeckung der Nordwestpassage. Kriegseinsätzen folgt die Ernennung zum Kapitän. Man schätzt ihn wegen seiner Umsicht, die seine Langsamkeit aufwiegt. Er bricht zu Forschungsreisen auf, scheitert, erhält neue Aufgaben.
Ich will nicht zu viel verraten, damit ihr selber lesen mögt. Franklins Überlegungen zu den Menschen, zur Welt überhaupt, sind ausgesprochen spannend und aktuell. Sten Nadolny schreibt anschaulich, gut lesbar und trotzdem mit Tiefgang. Ein Buch, das ich empfehlen kann.
Sten Nadolny: Die Entdeckung der Langsamkeit (Taschenbuch, Piper Verlag, München)
_________________ Auf zu neuen Ufern
Homepage - täglichBLOG - PodCast
|