Gefunden [bei Nacht]
Eine Tragödie
Personen: Der ältere Bruder Der jüngere Bruder Der Gast Die Frau (Frederike) Der Mann (von Frederike, Fernando) Der Bettler Der Schreiber
1. Schurke 2. Schurke Eine junge Frau mit Kinderwagen Ein alter Mann mit Krücken Ein Liebespaar Eine vornehm gekleidete Dame
Während des ganzen Theaterstückes ist die Bühne in eine Nachtstimmung getaucht. Licht und Beleuchtung sind auszurichten nach der jeweiligen Szenerie.
1. Akt
Das Bett unter der Dachschräge ist nicht gemacht, die Kissen zerwühlt, die Glühlampe an der Decke des kleinen runtergekommenen Zimmers schaukelt. Das Fenster ist offen, Laub liegt in den Nischen. Im Zimmer befindet sich zudem ein Stuhl, ein kleines Tischchen, ein Fernseher.
Der ältere Bruder ist etwas dicklich klein, der Jüngere groß und schmächtig. Beide sind ärmlich gekleidet. Der Gast schaut sich um. Die beiden Brüder stehen etwas abseits beieinander und beobachten den Gast.
Älterer: (zögerlich)„ Fünfunddreißig Euro die Nacht!?“
Gast: „Zu teuer für die Bude!“
Jüngerer: „Aber sie können fernsehen, das gibt es in den anderen Zimmern nicht!“
Älterer: “So ist es!“
Jüngerer: „Er könnte auch aus dem Fenster fallen.“
Älterer: „Er kann es ja schließen.“
Jüngerer: „Er kann es, wenn er will.“
(kurzes Schweigen)
Jüngerer: (zum Älteren)„Er will es nicht.“
Älterer: „Was will er nicht?“
Jüngerer: „Das Zimmer.“
Älterer: „Er wird es schon wollen. Hier kann er fernsehen.“
Gast: (zu sich)„Die Türgriffe fehlen.“
Älterer: (zum Gast)„Sie haben kein Gepäck?“
Gast: „Nein.“
Jüngerer: (zum Älteren)„Er braucht mehr Raum. Hier ist alles anders, er muss es beachten.“
Älterer: (zum Jüngeren)„ Sie brauchen keine Türgriffe mein Herr, sie werden sehen.“
Jüngerer: „Er muss aufpassen. Wenn er raus geht, geht er rein, er muss es beachten. Du musst es ihm sagen. Er wird sich verirren. Es ist Krieg.“
Älterer: „Es fallen keine Bomben.“
Jüngerer: „Man sieht sie nicht. Sie sehen ihn nicht …. Es ist alles anders herum.“
Älterer: (heiter)„Unten ist es wieder richtig herum, mein Herr! (zum Jüngeren) Da gibt es auch Apfelwein, wenn sie durstig sind. Wir haben unten eine kleine Gaststube, mein Herr.“
Jüngerer: „Er mag keinen Apfelwein, das sieht man doch.“
Gast: „Haben sie noch mehr Zimmer?“
Älterer: „Mein Herr, das ist das einzige mit Aussicht.“
Gast: „Haben sie noch mehr Gäste im Haus?“
Älterer: „Nein, mein Herr. Wir hatten mal einen Gast, eine Dame, im Zimmer nebenan, sie hatte viel Gepäck. Sie war sehr still, fast wie sie, mein Herr.“
Jüngerer: „Sie hatte drei Katzen. Zwei hat man nicht gesehen, sie hatte aber drei.“
Ältere: „Sie hatte ein andres Zimmer, eines ohne Aussicht, mein Herr.“
Gast: „Ist sie wieder abgereist?“
Älterer: „Nein, ich glaube nicht.“
Gast: „Also ist sie noch da?“
Älterer: „Ich weiß nicht. Sie hat nicht bezahlt, sie hat sich nicht abgemeldet, oder mit mir gesprochen. Kurzum: Ich hab sie seit ihrer Anreise nicht wieder gesehen. “
Gast: „Aber man könnte klopfen, an der Tür, vielleicht gibt sie Antwort?.“
Jüngerer: (zum Gast)„ Es ist alles anders herum. Glauben sie mir, die Katzen kann man nicht sehen!“
Ältere: (beiläufig, zum Gast) „Sie hat keinen Namen. Sie hat ihn mir nicht gesagt, wie sollte ich sie rufen? Sie ist sicher fort. Für was die Mühe?!. …(energischer) Möchten sie nun das Zimmer?“
Jüngerer: „Doch sie hatte, sie hatte viel Gepäck dabei! Der Fehler war nicht sichtbar.“
Gast: “Was für ein Fehler?“
Jüngerer: (zum Gast) „Sie hat es versprochen.“
Gast: „Versprochen?“
Jüngerer: „Das weiß man nicht. Sie hat die Tür geschlossen, einfach so.“
Gast:(schüttelt verwirrt den Kopf)„ Ach, was soll`s. In dieser Gegend gibt es kein freies Zimmer mehr, ich nehme das…. Ich bin müde, war den ganzen Tag unterwegs.
Jüngerer: „Wenn sie müde werden, werde ich ihnen die Tür öffnen, damit ihnen warm wird.“
Gast: „Es ist eisig kalt draußen! Hier drinnen im Übrigen auch-das Fenster…“ (zeigt auf das offene Fenster)
Älterer geht zum Fenster, will es schließen. Der jüngere Bruder will ihn davon abhalten:
Jüngerer: (zum Älteren, erzürnt)„Aber es ist doch anders! (zum Gast, beschwichtigend) Sie werden schon sehen, wie es ihnen warm wird. Die Bomben fallen, es ist Krieg. Wir haben keine Türgriffe.“
Älterer: (zum Gast)„Aber mein Herr wohin wollen sie denn? (zum Jüngeren gereizt lispelnd) Du vertreibst mir alle Gäste! Halt einfach mal deinen Mund!“
Gast: „Schauen was die Dame macht. Etwas Gesellschaft wird mir gut tun. Vielleicht ist sie ja da.“
Jüngerer: (zum Gast, hinterherlaufend) „Nein, nein, das verstehen sie nicht! Es ist alles anders herum!“
Der Gast verlässt das Zimmer. Er schließt die Tür. Auf der Bühne ist mit einmal stockdunkel.
Jüngerer: „Sind wir jetzt tot?“
Älterer: „Nein, das war nur ein Kurzschluss!“
Jüngerer: „Wo ist er hin? … Wo bist duuuu?“
Älterer: „Hier.“
Jüngerer: „Ich bin auch hier. Bist du hier?
Älterer: (genervt)„Jaa…“
Jüngerer: (freudig, kichernd) „Hieiiir!“
Stille. Brüder gehen von der Bühne. Auf der Bühne ist es immer noch dunkel. Diese Dunkelheit hält einen Moment an, damit die Stille auf das Publikum übergeht.
2. Akt
Verschiedene Personen gehen im Dunkeln, nur von einem Lichtkegel geführt, einzeln schweigend über die Bühne. Mal von links nach rechts, mal von rechts nach links. Jede Person nur einmal, welche dann wieder im Dunklen verschwindet. Eine junge Frau mit Kinderwagen, ein alter Mann mit Krücken, ein Liebespaar, eine vornehm gekleidete Dame und mit etwas Abstand zu den Anderen, ein Bettler.
Der Gast kommt im schwachen Lichtschein auf die Bühne. Im Hintergrund ein leichter Lichtschein. Dieser fällt auf die Frau, die inmitten von großen Stapeln aus Büchern und Zetteln sitzt. Daneben zwei Koffer. An der Wand über ihr hängt eine große Uhr mit nur einem Zeiger. Die Frau durchsucht die Bücher und Zettel.
Gast: „Guten Abend… “
Frau: „Sie dürfen mich nicht stören. Hören sie, sie dürfen mich nicht stören“
Gast: „Was machen sie da?“
Frau schweigt.
Gast: „Kann ich ihnen helfen?“
Frau: „Sie haben keine Fahrkarte, sie dürfen mich nicht stören.“
Gast: „Eine Fahrkarte?“
Die Frau schaut auf die Uhr.
Frau: „Für den Neunuhrzug.“
Gast: “Für den Neunuhrzug?“
Frau: „Wenn sie mich stören wollen, brauchen sie eine Fahrkarte.“
Gast: “Wo bekomme ich denn so eine Fahrkarte?“
Frau: „Das kann man nicht wissen. Entweder man hat eine, oder man hat keine. Sie haben keine, also stören sie mich nicht. (zu sich sprechend) Der Schreiber hat es vergessen. Er hat keine Fahrkarte, er darf mich nicht stören.“
Es folgt eine Reihe von Gewittergeräuschen und Lichtflackern, dann das Geräusch einer Eisenbahn.
Gast: „Es scheint ein Unwetter zu geben.“
Frau: „Sie können das nicht wissen, der Schreiber weiß es.“
Die junge Frau mit Kinderwagen, der alter Mann mit Krücken, das Liebespaar und die vornehm gekleidete Dame, und der Bettler (wieder mit einem gewissen Abstand zu den Anderen) gehen wieder über die Bühne. Die Frau sucht weiter unablässig in den Büchern ohne die Leute zu beachten. Der Gast hingegen schaut den Personen nach.
Gast: (zu sich)„Wo kommen die Leute auf einmal her?“
Frau: „Der Schreiber hat sie geschickt. Sie kommen und gehen.“
Kurzes Schweigen.
Gast: „Der Schreiber? Welcher Schreiber? Sie sprechen in Rätseln Madam… „
Frau: „Ich suche den Fehler.“
Gast: „In den Büchern?“
Frau: „Den Fehler.“
Die Frau nickt in sich gekehrt ohne aufzuschauen. Der Gast setzt sich zu der Frau. Sie nimmt ein anderes Buch. Leere Bilderahmen sinken langsam von der Decke.
Gast: „Es ist sehr eigenartig hier, finden sie nicht auch?“
Die Frau schüttelt energisch den Kopf.
Frau: „Es ist ein anderes Buch.“
Sie klappt das Buch wieder zu. Die Rahmen verschwinden wieder.
Frau: „Die Dinge ändern sich. Die Dinge ändern sich … die Toten kommen, aber kommen nicht zurück.“
Die Frau erhebt sich und schlichtet die Bücher und Zettel um.
Frau: „ Es ist Zeit. Ich muss gehen. Mein Zug. Er kann nicht halten. Ich muss gehen. Meine Koffer. … (schaut sich um, sucht ihr Gepäck, nimmt die Koffer) Ich muss gehen.“ (geht von der Bühne)
Gast: „Ich kann sie bekleiden, wenn sie möchten. …. Es reist sich leichter.“
Zuggeräusch. Die Frau verschwindet in der Dunkelheit.
Gast :(ruft ihr nach) Werde ich sie wiedersehen?
Der Gast geht, folgt der Frau, in die Dunkelheit.
3.Akt
Ein Lichtkegel fällt auf dem Bettler der auf einer Bank sitzt. Daneben eine schwach leuchtende Laterne. Der Bettler trägt einen alten sehr verschlissen abgetragenen Mantel. In den Taschen befinden sich eine Geldbörse und ein Kamm. Er ist betrunken und vergnügt. Er lacht.
Bettler: (lacht laut) Sie können es sich nicht vorstellen! …. (lacht) Husch, weg war ich! Da haben die ganz schön aus der Wäsche geguckt! Wie Igelchen mit ihren Äugelchen. - Ich sage ihnen, (zum Publikum)sie leben vom Wissen und Unwissen! Ich lebe einzig vom Unwissen! Sollte ich dem Einhalt geben?! (lacht) Verdanke ich nicht dem Ganzen Ungeschick mein Leben?! (lacht)
Die Frau taucht auf und läuft über die Bühne und murmelt etwas Unverständliches vor sich her. Bettler entdeckt sie, nimmt den Kamm aus der Tasche, fährt sich damit übers Haar und geht der Frau ein Stück nach:
Bettler: Gute Frau, liebes Fräulein, haben sie nicht etwas Kleingeld für meine arme Seele?
Frau:(zu sich) Ich habe den Fehler … . Ich konnte ihn gar nicht finden, ich habe ihn.
Frau geht von der Bühne ohne den Bettler zu beachten.
Bettler(ruft ihr nach und winkt lachend ab): Ach, wissen sie junge Frau, den können sie behalten!
Die junge Frau mit Kinderwagen, der alter Mann mit Krücken, das Liebespaar und die vornehm gekleidete Dame … gehen wieder schweigend über die Bühne und verschwinden.
Bettler: „Ah ja (schaut ihnen nach, zum Publikum), wissen sie, Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeit ist eine Tugend.
Es wird wieder Dunkel auf der Bühne. Der Bettler verschwindet im Hintergrund und in der Dunkelheit.
4. Akt
Es ist Nacht. Der Mond steht über allem. Auf der Bühne befindet sich eine Bank, darauf steht die Frau, die an der großen Uhr, mit dem einen Zeiger, welche sich oberhalb befindet, dreht. Die beiden Koffer stehen daneben auf dem Boden. Der Gast kommt auf die Bühne.
Gast: „Wie schön sie wiederzusehen! Ich dachte nicht, dass ich wieder auf sie treffe. Umso mehr freut es mich! „
Frau: „Ich suche die Stelle.“
Gast: „Welche Stelle? Kommen sie da runter, (reicht ihr die Hand) mir wird schon ganz schwindelig, wenn ich ihnen zusehe. Sie fallen noch und verletzen sich.“
Frau steigt vom Stuhl.
Gast: "Ich hab sie noch gar nicht nach ihren Namen gefragt."
Frau: "Frederike, Frederike Mahrbach."
Gast: "Frederike, was für ein schöner Name."
Frau setzt sich auf die Bank.
Gast: "Sie sprachen von einer Stelle…?"
Frau: "Den Fehler, sie wissen … es geschah vor Zeiten. Irgendwo muss er sein."
Gast: "Glauben sie es würde etwas ändern, wenn sie ihn gefunden haben? Die Dinge kann man nicht ändern. Wir müssen sie nehmen, wie sie sind."
Der Mann setzt sich neben ihr.
Frau: "Aber (kurzes Schweigen) es ist zu schwer, viel zu schwer, der Schreiber weiß es."
Gast:" Denken sie nicht auch, Frederike, ich darf doch Frederike zu ihnen sagen? (Frau nickt), das man damit leben kann?."
Frau möchte etwas sagen verharrt aber wie auch der Gast in der Bewegung. Aus dem Dunklen im Hintergrund (rechts auf der Bühne) kommt der Schreiber zum Vorschein. Er sitzt an einem kleinen Tisch und schreibt. Schreiber: (zu sich) "Des Lebens stille Stunden, der Dinge ruheloses sein. Abends möchte er untergehen, am Tage will er sein."
Der Schreiber verharrt. Gast und Frau bewegungslos:
Beide: "In Fugen gefallen Die Leere gefüllt Jenseits geborgen Den Morgen verhüllt."
Es beginnt zu schneien. Der Schreiber verschwindet in der Dunkelheit. Der Gast und die Frau verlieren ihre Bewegungslosigkeit:
Gast: „Es ist kalt geworden. Wir sollten uns ein wärmeres Plätzchen suchen.“
Frau: „Da waren tote Vögel.“
Gast: „Liebe Frederike, ich würde alles dafür geben, wenn ich nur wüsste, um was sie sich sorgen.“
Frau: „Verstehen sie nicht!? Er fiel so tief!“
Gast: “Wer?“
Frau: „Er wird nicht zurückkommen!“
Die Frau will gehen, der Gast hält sie zurück, die Frau reist sich jedoch schnell wieder los.
Gast: „Wer?“
Die Frau schweigt.
Gast: (eindringlicher) „Wer?“
Die Frau nimmt ihre Koffer und läuft eilig davon, der Gast rufend hinterher.
Gast: „Frederike, warten sie doch!“
Der Bettler kommt wieder zum Vorschein. Nachdem er sich vergewissert hat, dass Der Gast und die Frau weg sind:
Bettler: „So sind sie! (lacht) Sie suchen, und laufen davon. Gibt man ihnen einen Halm, brechen sie ihn ab! Gibt man ihnen Hoffnung, geben sie sie auf!“
Schreiber taucht wieder aus dem Dunklen auf.
Schreiber: (zum Bettler, energisch) „Der Tag wird kommen, an dem sie sich finden!“
Bettler (zum Schreiber wütend): „Schweig du! (lacht) Wozu? Damit sie schreien und weinen können über sich?! Welcher Spaß soll mich am Ende meiner Tage noch erwarten, solltest du Recht haben, Schreiberling?! Ich werde dir ein Plätzchen in der ersten Reihe freihalten, damit du dieses Schauspiel genießen kannst! In vollen Zügen! Sie werden vorüberziehen, diese Geschöpfe - der Unwissenheit sei Dank!, werde ich ewig bestehen! (lacht) … (böse) Dich jedoch wird alle Welt verlachen! Dich! (lacht) …. (gebieterisch) Schreibe!: Er geht !“
Bettler geht ab.
5. Akt
Kammer der Brüder. (wie in der ersten Szene) Das Bett ungemacht, in der Dachschräge, das Fenster offen usw …jüngerer Bruder zieht einen Mann, der nur mit einen Oberhemd und mit einer Unterhose bekleidet ist, an den Füßen in das Zimmer.
Älterer: „Was bringst du mir wieder an?
Jüngerer: „Der Schnee hat alles zugedeckt. Seine Füße sind kalt, sehr kalt, (nickt) seine Augen….“
Älterer Bruder legt sein Ohr auf die Brust des Mannes.
Jüngerer: „Ist er tot?“
Älterer: „Du kannst nicht alles anschleppen, was du so findest! Wir können nicht allen helfen! Sie zahlen nicht! Verstehst du!? Sie zahlen nicht! Sie kommen nicht wieder! Sie vergessen uns und kommen nicht wieder! (Älterer Bruder schaut den besinnungslosen Mann an) Die Stricke um den Hälsen werden immer enger und die Hälse immer jünger. (zum jüngeren Bruder- energisch) Wir aber brauchen zahlende Gäste, ansonsten werden wir auch so enden (zeigt auf den Besinnungslosen) … also lass sie! … wo sie sind!
Jüngerer: „Aber es ist anders!“
Älterer: „Es ist immer anders! ……. Geh! … Hole Tee! Er kommt zu sich!“
Jüngerer Bruder geht ab. Der eben noch besinnungslose Mann richtet sich langsam auf. Er bemerkt nicht, dass er so gut wie nichts an hat.
Älterer: „Na, noch mal Glück gehabt, dass mein Bruder sie gefunden hat!“
Mann: „Wo bin ich?“
Älterer: „Sie können von Glück reden, dass sie noch leben! Da ist es doch egal, wo man ist!“
Mann: „Was ist passiert?“
Älterer: „Wie soll ich das wissen?! Aber vielleicht fällt es ihnen ja wieder ein. Wollen sie sich derweil bei uns einmieten, bis sie wieder bei alten Kräften sind?“
Mann: „Haben sie sie gesehen?“
Älterer: „Wen?“
Mann: „Meine Frau. Groß, lange dunkle Haare. Sie trug ein hellblaues Kleid.“
Älterer: „Ja… (sinnt kurz nach) ja, aber das ist schon eine Weile her. Sie ist vermutlich gegangen.“
Mann: „Wohin? Ich muss sie suchen!“
Er will aufstehen, fällt aber geschwächt wieder auf den Boden.
Älterer: „Sie sollten erst einmal wieder zu Kräften zu kommen. Sie können hier bleiben. Die Kammer kostet nur 35 Euro die Nacht, ein Schnäppchen sozusagen.“
Mann: „Vielleicht haben sie Recht.“
Älterer: „Na aber mit Sicherheit, mein Herr! Sie bekommen auch gleich einen heißen Tee, dann geht es ihnen besser. Und morgen, morgen können sie dann in Ruhe ihre Frau suchen!“
Mann richtet sich nun langsam auf und steht etwas unsicher noch, aber auf beiden Füßen.
Mann: „Ja… das ist vernünftiger.“
Älterer Bruder macht dem Mann mit einer Geste deutlich, dass er zahlen soll.
Mann: „Achja, warten sie. Geld habe ich in meiner Tasche… “
Der Mann will in die Manteltaschen fassen, bis er bemerkt, dass er keinen anhat. Er schaut erschrocken, bemerkt, dass auch Hose und Schuhe fehlen.
Mann: „Es tut mir leid.“ (zuckt mit den Schultern)
Älterer: „Womit habe ich das nur verdient?!“(schüttelt den Kopf)
Bettler tritt plötzlich in die Stube. Er ist sehr heiter und winkt mit Geldscheinen. Der jüngere Bruder kommt, mit den Tee, ebenfalls in das Zimmer, sieht den Bettler, erschrickt, lässt die Tasse fallen.
Mann:(erstaunt) „Das ist … mein Mantel!“
Bettler:(zum Mann, böse) „Was schwafelst du? (zum jüngeren Bruder) Tölpel!“ (lacht)
Älterer: (dienerisch) „Entschuldigen sie, beachten sie sie nicht. Der Herr weiß nicht was er sagt. Er war bis jetzt fast tot - ist noch nicht ganz wieder bei Sinnen. (zeigt auf den Bruder)Mein verrückter Bruder… hat ihn angebracht. Er schleppt alles an, was er findet. Ein Kreuz mit ihm.“(winkt ab)
Bettler: „Ach! Wen interessiert das?“
Älterer: (dienerisch, süßlich) „Sie haben recht, mein Herr. Sehr Recht! Alles Nebensächlichkeiten! Was will ich sie damit belästigen?. Was kann ich für sie tun, mein Herr? Was wünscht der Herr? Ein Zimmer? Ein gutes Glas Apfelwein? (zum Jüngeren) Nehme dem Herrn den Mantel ab!
Der jüngere Bruder will dem Bettler den Mantel abnehmen, der aber scheucht ihn böswillig weg:
Bettler: „Den behalt ich!“
Älterer:(zum Jüngeren auf, den Stuhl zeigend) „Hole den Stuhl! (zum Bettler) Der Herr ist sicher erschöpft und möchte sich setzten! Ein Glas Wein? (drängt den Jüngeren zur Eile, dass er Wein holen soll) (zum Bettler, süßlich freundlich) Sie hatten eine weite Reise?“
Bettler: „Wenn ich bedenke? Nein!“ (lacht)
Der Bettler setzt sich auf den Stuhl, den der jüngere Bruder gebracht hat. Der Bruder eilt aus dem Zimmer und kommt geschwind mit dem Apfelwein zurück. Er reicht dem Bettler das Glas.Der Bettler nippt daran. Einmal, zweimal:
Bettler: „Nicht schlecht, nicht schlecht.“
Älterer: „Apfelwein, mein Herr… “
Bettler: (trinkt das Glas in einem Zug aus) "Ich suche für ein paar Tage Quartier. Ich brauch etwas Ruhe, ich muss mal abspannen, mal nachdenken." (lacht)
Älterer geht nervös zu dem Bett und richtet die Kissen.
Älterer: „Wie wäre es mit diesem? (preist das Zimmer mit großen Gesten an) Es ist eben frei geworden, mein Herr und das Schönste was wir haben!“
Bettler erhebt sich, geht durch das Zimmer, schaut sich um.
Bettler: „Hübsch.“
Älterer: „Es ist unser Schönstes. Das Bett weich und warm … und die Aussicht … “ (geht zum Fenster)
Bettler: “Geschwafel, Geschwätz! Eine runtergekommen Bruchbude ist das, mehr nicht! Wir werden hier alles renovieren, neu einrichten, neues Personal einstellen!“ (schaut auf den jüngeren Bruder, winkt ab)
Älterer: „Sehr wohl, wir hatten das schon lange vor. Aber sie wissen ja. Wer soll das bezahlen? Wir haben nichts. Die Gäste zahlten nicht, sind einfach wieder gegangen, einfach so.“
Bettler: „Zechpreller?! Das gibt’s doch nicht! (lacht) (ernst) Das wird sich ab sofort ändern! Verstanden! Und geben sie dem da eine Hose! (zeigt auf dem Mann) Wir sind ein anständiges Lokal! “
Älterer: (nickt ängstlich)“Gewiss, gewiss“.
Bettler: Für heute ist´s genug! Ich bin müde! (falsch lächelnd) Die Herrschaften haben nichts dagegen diese Räumlichkeit zu verlassen?!“
Älterer: „Mitnichten … mein Herr … wir sind schon … schon weg… „
Der ältere Bruder nimmt seinen Bruder am Ärmel und zieht ihn aus dem Zimmer, der noch immer beängstigt auf dem Bettler starrt. Der Mann zögert kurz, geht aber gleichfalls.Die Drei verlassen die Kammer, der Bettler wirft sich genüsslich auf das Bett und verschränkt die Arme hinter dem Kopf.
Bettler: „Alles kommt, wie es kommen muss!“ (lacht schallend laut)
6. Akt
Flusspromenade. Eine Brücke, eine Bank, Bäume … .Die Frau steht neben ihren Mann auf der Brücke. Beide Lehnen sich ans Brückengeländer und schauen über die Brüstung. Die Frau hat eine dicke Jacke an, trägt ein hellblaues Kleid darunter und hat einen Hut auf. Der Mann trägt einen Mantel (den Gleichen wie der Bettler hatte, aber ein Neuen).
Frau: „Glaubst du nicht auch, dass es so bleiben kann. So still und friedlich.“
Mann: „Ja, es ist schön hier.“
Frau: „Alles ist so weit weg.“
Mann: „Ist schon komisch.“
Frau: (erstaunt) „Was ist komisch?
Mann: „Dass man so zufrieden sein kann.“
Frau: (leise) „Ja.“
Es beginnt langsam zu Schneien.
Mann: (leise)„Der Schnee ist schön.“
Frau:(leise) „Ja. …………. Die Bäume.“
Mann: „Ja…. Komm, wir gehen noch ein Stück. Da vorn ist ein kleines Restaurant, lass uns dort etwas essen.“
Frau: „Ich habe keinen Hunger, ich möchte noch bleiben.“
Mann: (versucht sie zu überreden) Ach komm! (scherzt) Ich verhungre. (nimmt sie neckend bei der Hand, lacht) Wenn wir noch länger hier warten, werde ich noch ein Knochengerüst.
Frau: (kurze Pause) „Na gut. (scherzt) Bevor dir die Hose runter rutscht.
Die Frau geht voraus.
Mann: (geht ihr beschwingt nach) „Ja, das würde dir gefallen!“
Frau: (lacht): „Vielleicht!“
Gelächter aus der Ferne wird hörbar. Erst leise.
Frau: (bleibt abrupt stehen)„Hast du das gehört?“
Mann: „Was?“
Frau lauscht. Das Gelächter wird lauter.
Frau: „Jetzt wieder! Hörst du das?“
Mann: „Wer weiß, Frederike. Da hat jemand auch seinen Spaß, wie wir. Wir sind doch nicht allein auf der Welt!“(lacht)
Das Gelächter wird lauter, böser.
Frau: (beängstigt)„Das gefällt mir nicht! Komm lass uns schnell hier weggehen!“
Zerrt an dem Mantel ihres Mannes.
Mann: (lacht) „Du bist eine Angstzippe, Frederike! Hee! Zerre nicht so (lacht), du zerreißt mir ja den Mantel!“
Frau zieht energischer am Mantel. Bevor sie den Ort verlassen können, treten zwei Schurken auf die Bühne und unterhalten sich:
Erster Schurke: (zum Zweiten, im Gehen, bevor sie das Pärchen erreichen) Das ist nicht gut, sag ich dir! Wenn der Alte Stress macht, kannste einpacken! Ich habs dir gesagt! … Lass die Finger davon, das ist zu heiß! Ich sags dir!“
Zweiter Schurke: „He Junge, bleib locker! Was ist? Scheißte dir gleich ein? “
Erster Schurke: „Nein, ist nur son Gefühl… „
Zweiter Schurke: „Gefüüüühl .. „ (lacht) (heftig) Gefühl, Gefühl, was ist das für´n Quatsch! Der kann mir nichts!“
Die beiden Schurken gehen auf den Mann zu. Der zweite Schurke holt ein Messer aus seiner Tasche und stößt den Mann sehr grob an, bedroht ihn.
Zweiter Schurke: „Was hast du denn Nettes dabei?“ (zur Frau schauend)
Die Frau ist verschreckt.
Mann: (energisch)„Was willst du?“
Zweiter Schurke: „Bisschen Spaß?“
Frau: Lasst uns in Ruhe!“
Zweiter Schurke:(süßlich) „Wenn sich zwei Gentlemans unterhalten, ist die Dame so freundlich, (boshaft) und hält die Klappe!“
Mann: „Lass sie!“
Zweiter Schurke: (reißt die Frau an sich, hält ein Messer an ihren Hals) Ich werd sie schon lassen, ganz bestimmt! (lacht)
Mann: „Was willst du?“
Zweiter Schurke: „Was haste zu bieten, außer dieser Lady hier?“
Mann: (fasst in die Manteltasche, holt die Geldbörse raus, macht sie auf und reicht dem Schurken ein paar Scheine) "Hier, das ist alles was ich dabei habe!“
Zweiter Schurke: „Ist das nicht bisschen zu wenig?“
Mann: „Hier, meine Uhr…“ (macht seine Armbanduhr ab und gibt sie dem Schurken)
Zweiter Schurke: Na na na… da geht noch was!“
Mann: „Meine Schuhe! Echtes Leder … (zieht die Schuhe aus) hier!“
Erster Schurke: „Hee, du hast genug … (sich ängstlich umschauend) Lass uns verschwinden!“
Zweiter Schurke: (zum Ersten) „Mach dir nicht ein … “ (zum Mann) Dein Mantel ist ja todschick, ganz mein Geschmack! (der Mann zieht seinen Mantel aus) … Die Hose?! (zieht auch die Hose aus) Hast du die nicht blau? Blau steht mir besser! (lacht)
Der Mann gibt alles dem Schurken und bleibt fröstelnd stehen.
Zweiter Schurke: (zur Frau)“Na, Lady, haben wir nicht auch was!?“
Frau schüttelt energisch den Kopf.
Zweiter Schurke: „Na, da will ich mal nicht so sein. Frauenkleider sind nicht so meins. Aber die Kette ist hübsch! (reißt ihr die Halskette vom Hals, stößt die Frau weg und lacht) (zum ersten Schurken) Lass uns abhauen!
Dann verschwinden die beiden Schurken. Es schneit jetzt mehr.
Die Frau umarmt ihren halbnackten Mann und spricht erleichtert:
Frau: „Das ist nochmal gut gegangen…“
Mann: „Ja, aber lass uns jetzt heim gehen, mir ist wirklich kalt.“
Frau: „Hier, nimm meine Jacke…“
Mann: (winkt ab) „Lass mal gut sein, Frederike. Komm nichts wie weg hier!“
Beide laufen schleunigst los, dabei rutscht der Mann auf dem gefrorenen Boden aus, fällt ungeschickt, stößt sich den Kopf am Brückengeländer – ist bewusstlos.
Frau: (kniet sich schnell und erschrocken zu ihren Mann auf den Boden und schüttelt ihn leicht) Fernando? Fernando!? Was ist mit dir? (Schaut sich erschrocken um, ruft laut) Hilfe!... Ich brauche Hilfe! (blickt wieder zu ihren Mann, spricht zu ihm, prüft ob er atmet, sein Herzschlag)Fernando?! Hilfe! ….. (denkt nach) Ich komme gleich wieder, Liebster, ich komme gleich wieder… ich hole Hilfe…ich laufe nur schnell zum Restaurant…ja…ich bin gleich wieder da.“ (steht auf und läuft von der Bühne um Hilfe zu holen)
In der Zwischenzeit kommt der jüngere Bruder auf die Bühne geschlendert. Er murmelt vor sich her und schaut in die Höhe zu den Schneeflocken:
Jüngere: „So schön, so schön!“ (dabei zwinkert er mit den Augen, weil ihm die Schneeflocken ins Gesicht fallen, er lacht)
Dann stolpert er über den Mann.
Jüngerer: „Eh, da kann man aber nicht schlafen. Das ist nicht richtig. Nein. Hallo… (stupst den Mann an … wartet … schaut sich den Mann genau an, wundert sich, dass er kaum etwas anhat, nimmt den Arm des Mannes und lässt ihn wieder fallen) Du muss doch frieren, es ist Winter, es schneit, sieh doch, die Schneeflocken. (schaut in die Luft) (wieder zum Mann) Bist du krank? Wenn du krank bist, nehme ich dich mit. Mein Bruder, der macht dich wieder gesund, der kann das…ja… der kann das. (nimmt ihn bei den Füßen und zieht ihn von der Bühne) Du bist aber schwer…
Kurz darauf erscheint die Frau. Sie ist außer Atem.
Frau: (von weitem)Gleich kommt der Krankenwagen, er ist gleich…. (sie hält fassungslos inne, schaut sich suchend um, rennt von einer zur anderen Seite, schaut, sucht) Fernando?! (lauter werdend) Fernando!? Wo bist du?! Fernando! (ängstlich, geht suchend und rufend von der Bühne)Fernando?!
Die Bühne wird für einen Moment ganz abgedunkelt. Dann wieder leicht beleuchtet.
7.Akt
Wir befinden uns noch immer an der Flusspromenade. Mittlerweilen liegt jedoch eine dicke Schneedecke. Die Bank und die Brücke sind verfallen, die Bäume sind geknickt, oder abgesägt worden, oder fehlen gänzlich. Es muss auf jeden Fall verdeutlicht werden, dass eine größere Zeitspanne zwischen den Zeiten liegt. Zwischen 6. und 7. Akt.
Die Frau kommt zurück.
Frau: (rufend) „Fernando!“
Gast: (kommt eiligst auf die Bühne) „Frederike, da sind sie ja! Mir scheint fast, sie reisen vor mir aus.“ (lacht)
Frau: „Hier war es, genau hier…. Jetzt bin ich wieder hier und er ist weg, so weit weg… (Pause)… (ruft) Fernando!“
Gast: “Wer ist Fernando, Frederike?“
Frau: „Hier hat er gelegen…ich wollte doch nur Hilfe holen, ich war doch nicht lange weg… ich war doch nur …“ (fällt auf die Knie und weint)
Gast beugt sich zu ihr, hebt sie auf, setzt sie auf die Bank.
Gast: „Nun beruhigen sie sich erst einmal.“ (gibt ihr ein Taschentuch. Sie wischt sich die Tränen ab.) Erzählen sie ganz in Ruhe, was passiert ist. Ich versteh sie doch gar nicht, so durcheinander wie sie sind.
Frau: „Zwei Räuber haben uns überfallen, sie haben ihm alles weggenommen, es war so kalt, wir wollten gehen, hier fort gehen, bevor sie wieder kommen, er ist gefallen, ich wollte doch nur Hilfe holen….da drüben im Gasthaus (zeigt auf das Restaurant in der Ferne) Er war nicht mehr da…. War einfach nicht mehr da…“
Gast: “Fernando?“
Die Frau nickt, schnäuzt sich.
Gast: „Und jetzt suchen sie ihn schon die ganze Zeit?“
Frau nickt wieder.
Gast: „Haben sie schon im Gasthaus nachgefragt, ob ihn da vielleicht jemand gesehen hat, vielleicht ist er ja da gewesen?“
Frau: „Niemand hat ihn gesehen, er war nicht da. Ich … hab gefragt, er war nicht da…. (verzweifelt)
Gast: „Vielleicht damals nicht (kurzes schweigen), aber möglich wäre doch, dass er inzwischen … wir könnten ja nochmal fragen, Frederike.“
Der Gast nimmt sie bei der Hand.
Die junge Frau mit Kinderwagen, der alter Mann mit Krücken, das Liebespaar und die vornehm gekleidete Dame gehen wieder über die Bühne…
Gast: (dreht sich nach den Leuten um) „Kommen sie, was haben wir schon zu verlieren. Fragen kostet nichts.“
Beide stehen von der Bank auf und gehen in Richtung des Gasthauses.
8.Akt
Im Zimmer der Brüder. Es sieht frisch und sauber aus. Es ist aufgeräumt, das Bett gemacht, Blumen stehen auf dem Fensterbrett…
Bettler: (ist vornehm gekleidet, trägt Anzug und Krawatte)„Kommen sie nur herein, die Herrschaften können sich gern umsehen. Eines unserer schönsten Zimmer und sehen sie nur (geht zum Fenster), diese Aussicht!“
Gast: „Ich staune nicht schlecht, was sie aus dem Haus gemacht haben!“
Bettler: (geschmeichelt) „Ja, das wurde auch Zeit!“
Gast: „Und sie haben den Herren (schaut zur Frau) …“
Frau: „Fernando…“
Gast: „...Fernando, nicht gesehen?“
Bettler: „Nein, mein Herr, nicht dass ich wüsste.“
Gast: „Frederike, was meinst du? Die Nacht wollen wir bleiben. Es ist schon sehr spät. Morgen können wir weiter nach Fernando suchen.“ (nimmt die Frau in den Arm) Gefällt dir das Zimmer? Schauen sie die hübschen Blumen. (weißt zum Fenster)
Die Frau nickt zaghaft.
Gast: (zum Bettler) „Wir nehmen das Zimmer (reicht ihm das Geld) und lassen sie der Dame noch einen Tee bringen.“
Bettler: „Aber sehr gern doch… (Bettler nimmt das Geld und verbeugt sich tief) Es war mir eine Ehre.“ (lächelt den Gast verschmitzt an, der das Lächeln erwidert)
Der Bettler verlässt den Raum. Die Frau setzt sich aufs Bett. Der Gast harrt kurz inne, geht dann zu ihr, setzt sich neben ihr auf das Bett.
Frau: „Ich werde ihn nicht wieder finden.“
Gast: „Seien sie nicht so traurig Frederike. Es ist so schön hier. (nimmt ihre Hand) Ruhen sie sich ein wenig aus, schlafen sie etwas. Morgen sieht die Welt gleich viel anders aus.“
Frau: (in sich gekehrt) Ich hätte ihn nicht allein lassen sollen. Dann wäre das nicht geschehen.
Gast: (streichelt ihre Hand)“ Es ist gut. (küsst ihre Hand) Schlafen sie, der Schlaf wird ihnen gut tun.“
Der Gast steht auf und geht aus dem Zimmer. Die Frau fällt auf das Bett zurück und weint. Nach kurzer Zeit klopft es an die Tür.
Frau: (schluchzend) Ja?!
Der jüngere Bruder betritt das Zimmer. Auch er ist gut gekleidet. Trägt ein weißes Hemd, mit einer dunkel karierten Weste, eine Fliege, eine dunkle Hose.
Jüngerer: „Der Tee!“ (schaut prüfend zur Tür)
Frau richtet sich vom Bett auf. Der jüngere Bruder gibt ihr den Tee.
Frau: „Danke…“
Jüngerer: (schaut sich ängstlich um, flüstert)„ … der Schnee wird alles zudecken, die Füße waren so kalt…. Mein Bruder, der hat ihn wieder gesund gemacht (lächelt nickt)
Die Frau lächelt müde, beiläufig.
Frau: „Sie sind nett.“
Jüngerer: (lächelt) Ja, der kann das, mein Bruder …(nickt wieder)
Frau: „Sie sehen sehr schön aus in den neuen Kleidern.“
Jüngerer: „Jaaaja, aber es ist nicht gut…. nein. Der Schreiber weiß das… er wird böse.“
Frau: „Der Schreiber?“
Jüngerer: „Nein, nein… der alles gemacht hat.“
Frau: „Wer?“
Jüngerer: „Ich darf das nicht … sonst wird er böse … sehr böse…sie verstehen das nicht (greint) … alles ist anders… wissen sie, alles … wir hatten keine Türgriffe… (schüttelt den Kopf und verlässt rückwärtsgehend, zur Frau schauend das Zimmer)
Der Vorhang fällt sehr langsam.
9.Akt
Der Mann rennt auf die Bühne. Schaut sich hilflos suchend um. Die junge Frau mit Kinderwagen, der alter Mann mit Krücken, das Liebespaar und eine vornehm gekleidete Dame und der Bettler (in seiner alten zerrissenen Kleidung, ohne den Mantel!) kommen nach und nach auf die Bühne. Der Mann geht auf jede Person verzweifelt zu, fragt jede einzelne:
Mann: (zur Frau mit dem Kinderwagen) „Haben sie meine Frau gesehen?“ (sie geht schweigend weiter) (zum Mann mit den Krücken)Haben sie meine Frau gesehen? (dieser geht schweigend weiter) (zum Liebespaar) Haben sie meine Frau gesehen? (sie gehen schweigend weiter) (zur vornehm gekleideten Dame) Haben sie, sie gesehen? (auch sie geht schweigend weiter) (zum Bettler, schüttelt ihn energisch an den Schultern) Sie müssen sie doch gesehen haben?! Irgend jemand muss sie doch gesehen haben!?“
Bettler: Mich? Fragen sie doch den Schreiber! (Lacht schallend)
Ende
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