auf der Höhe
Sie lehnte sich auf der Bank zurück, legte den Kopf an die warme Steinmauer in ihrem Rücken. Der Schiefer duftete nach Sommer, auch wenn erst Mai war. In den Fugen wuchsen filigrane Pflanzen mit zartlila Blüten. Eine smaragdfarbene Eidechse huschte unter eine Steinplatte.
Sie schloss die Augen und hörte den Schrei eines Raubvogels. Ein Bussard kreiste über dem Hang. Ihr Puls beruhigte sich.
Der Aufstieg hatte ihr Herz schneller schlagen lassen. Steil war der schmale Pfad, feucht vom Regen der Nacht und rutschig. Sie setzte Fuß vor Fuß, balancierte zwischen Mauern und Weinreben in einem der steilsten Weinberge Europas.
Wie schafften sie es, die Trauben zu pflücken. An dieser Schräge. Sie hätte keinen Fuß zwischen die Reihen setzen können, geschweige denn dort arbeiten. Schon hier, auf diesem Pfad quer zum Hang, schwindelte ihr. Aber sie blieb nicht stehen.
Der Ausblick auf die Mosel war grandios. Tief unter ihr zog der Fluss träge einen graugrünen Streifen zwischen den Straßen. Gegenüber ein Weindorf, die Kirche im Zentrum, rundum die alten Häuschen mit den großen Toreinfahrten. Und an den Hängen wie mit dem Lineal gezogen die Reben.
Sie beugte sich vor. Unscheinbare Blütenansätze versteckten sich zwischen den großen Blättern. Erstaunlich, was im Laufe eines Sommers entstand. Und was dann unter den Händen eines geschickten Winzers mit Wissen und Zeit daraus wurde. Wein - eines der ältesten Getränke der Menschheit. Und eines der schmackhaftesten, fand sie.
Sie öffnete ihren Rucksack, holte eine Flasche und zwei Gläser heraus, zog den Korken gekonnt aus dem Flaschenhals und schenkte den fein perlenden Riesling ein. Ein Glas reichte sie dem Mann an ihrer Seite, hob lächelnd ihres und sagte:
"Schön, dass du da bist."
© U.L., Juni 2008
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