Kleine Schuld In den Ferien lief ich zuweilen zu den Großeltern, die im selben Ort eine kleine Bauernwirtschaft betrieben. Mit Schafen, Ziegen, Hühnern, und eigentlich allem, was man sich vorzustellen vermag, so dass es dort nie zu Langeweile kam. Es war jedoch so, dass meine Großmutter schon Jahre in Krankheit war und kaum den Hof verließ, zumeist den Tag in der Küche auf dem Stuhl am Tisch saß, von wo aus sie ihre Arbeiten, so weit es ging, verrichtete. Somit hatte ich den Gedanken gefasst, da sie immer viel Obst essen sollte, ihr eine Pampelmuse mitzubringen und diese im Konsum unseres Örtchens zu kaufen, wo hin und wieder sehr lustige Aushängeschilder vor der Eingangstür auf dem Fußweg standen, die über das jeweilige Angebot des Tages Auskunft gaben. „Frisches Toilettenpapier eingetroffen“ war heute mit weißer Kreide darauf geschrieben. Ich betrat den Laden, die Eingangsglocke läutete, und fest in meiner Hand umschlossen, hielt ich die einzelnen Pfennige aus meiner Spardose. Eine ganze Mark war zusammengekommen. Das müsste reichen, dachte ich und schlich mich an der dicklichen Verkäuferin vorbei, die mich mit ihren Augen verfolgte. Ich ging durch die Regalreihen und fand auch sogleich die Pampelmusen. Ich suchte mir die Schönste heraus. Wie sie duftete! Tief sog ich den Geruch in meine Nase. Sogleich ging ich mit meiner Pampelmuse an die Kasse, wo mich die Verkäuferin aus ihrem rot leuchteten Gesicht heraus fragte: „Na, was hast du denn?“ Sie schaute sich meine Pampelmuse von allen Seiten genau an, als ob sie noch nie eine gesehen hätte und wog sie in ihrer Hand, dann sprach sie: „Eine Mark!“ Ich legte mein ganzes Kleingeld in die Schale. Genervt zählte sie meine Pfennige ab. „Das sind nur 98 Pfennig. Es tut mir leid, das reicht nicht.“ Mit diesen Worten nahm sie die Pampelmuse und legte diese beiseite. „Aber gewiss ist es eine Mark! Ich habe doch genau gezählt!“, bebte es aus meinem Mund. „Willst du vielleicht behaupten, ich kann nicht zählen!“, fuhr sie mich an. „Aber sie ist doch für meine Oma!“, sprach ich halb verzweifelt, wollte ich sie doch mit dem kleinen Geschenk überraschen und überhaupt brauchte sie das frische Obst, damit sie wieder gesund würde. „Dann lauf heim und hol die zwei Pfennige!“ „Aber, ich hab doch keine mehr. ... Morgen kann ich … .“, stammelte ich. „Gut, dann bring mir morgen das Geld.“, damit schrieb sie etwas auf einen kleinen Zettel, schürte das Kleingeld von der Theke und tat alles in die Kasse. Nicht wusste ich, wo ich die zwei Pfennige noch auftreiben sollte, aber das war vorerst nicht wichtig. Ich hatte meine Pampelmuse und der Rest würde sich finden. Meine Großmutter saß wie immer am Tisch. Der Herd war angeheizt. Es war sehr warm in der Küche und es roch nach Kamillentee und geröstetem Brot. „Na, du.“, sprach sie, als ich in der Tür stand. „Ich hab dir was mitgebracht!“, strahlte ich und zog die Pampelmuse hinter meinen Rücken hervor. Ich glaube, sie hatte sich gefreut.
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