Am besten alle in schwarz!
„Ich hole dich 17.00 Uhr ab!“ „Geht klar!“ Ich freute mich auf die Generalprobe am Abend im Karnevalsverein. Seit drei Jahren waren wir dabei. Meine Freundin Jasmin, kaum ein Jahr älter als ich, hatte schon ihren Mopedführerschein und einen Roller Marke Simson SR 50. Es klingelte unten an der Haustür. Ich blickte zum Küchenfenster hinaus und rief: „Ich komme!“ Eiligst rannte ich die Treppe hinunter. „Wo ist dein Helm?“, fragte Jasmin. „Verdammt!“, murmelte ich und rannte die fünf Stockwerke wieder hoch, schnappte meinen Helm und wollte wieder runter, aber Mutter fiel in diesem Moment noch ein: „Du musst noch abtrocknen!“ „Mach ich dann.“, sprach ich und wollte zur Tür hinaus. „Nichts da! Jetzt! Ansonsten kannst du die Probe ganz vergessen!“ „Ist ja gut.“, grummelte ich und erledigte, so schnell es ging, den Abwasch. Nun aber nix wie weg, dachte ich, bevor Mutter noch was einfiel. Ich nahm meinen Helm und rannte eilends durch die Tür und die Treppe hinab. „Wo warst du so lange?“, fragte Jasmin. „Ich musste noch abtrocknen.“ grummelte ich kurz, meinte jedoch gleich darauf: „ Nun aber los!“ Ich schwang mich auf den Rücksitz, stülpte den Helm über und Jasmin trat auf die Pedale. Wir tuckerten so gut es ging der Straße entlang. Ziemlich spät waren wir, die Probe hatte sicher schon begonnen. Ich drängte Jasmin zur Eile: „Mach hin!“, rief ich von hinten. „Wir bekommen sonst Ärger!“ „Das Ding fährt nicht schneller!“, schrie Jasmin zurück, gab aber dennoch etwas mehr Gas.
Vielleicht wäre es anders gekommen, hätte ich Jasmin nicht so gedrängt, oder den Helm gleich dabei gehabt, so dass wir nicht ganz so in Zeitnot waren, gleichwohl, es war nicht mehr zu ändern. Jasmin holte aus dem Roller heraus, was rauszuholen ging und wir kamen ganz ordentlich voran, bis die Bahnschiene die Straße kreuzte. Noch dachte ich: hoffentlich fährt sie senkrecht auf die Gleise, doch noch eh ich den Gedanke zu ende gedacht, waren wir mit den Rädern in den Schienenstrang geraden. Prompt kam der Roller zum Stehen und schleuderte mich vom Rücksitz vier Meter weiter auf den Asphalt. Meine Jacke und die Hose waren zerrissen. Mein Knie blutig, die Nase aufgeschrammt. Mit einiger Mühe erhob ich mich. Jasmin saß reglos neben ihren Roller auf der Straße. „Alles in Ordnung?“, fragte ich, ging auf sie zu und zog sie am Arm hoch. „Geht so.“, sprach sie fast lautlos.
Bis zum Probenraum waren es nur noch paar Meter. Wir beschlossen, bis dahin zu laufen, den Roller zu schieben, obwohl dem Moped nichts passiert war, konnte uns kein Mensch der Welt jetzt dazu bewegen, wieder auf die Maschine zu steigen, die uns gerade so unsanft abgeworfen hatte.
„Wie seht ihr denn aus? Und wo kommt ihr jetzt erst her?“ Herr Mehring, der Leiter des Vereins, war sehr ungehalten. „Wir hatten einen Unfall.“, gab Jasmin kleinlaut zu verstehen. „Könnt ihr mitmachen?“, fragte er. Wir nickten. „Ihr wisst, morgen ist Premiere, also zieht euch um und dann geht’s los!“ Wie gingen in die Umkleide, zogen unsere Sachen an. Den weißen Plisseerock, die dunkelblaue Jacke mit den Strasssteinen, das Barett. Die seidene Strumpfhose … „Hast du ein Pflaster?“, fragte ich Jasmin. Sie schaute auf mein kaputtes Knie: „Warte, ich glaube im Sani-Schrank ist noch welches.“ Sie ging zum Schrank und gab mir das Pflaster, das ich mehr recht als schlecht auf mein Knie klebte. „So wird es schon gehen.“, meinte ich und meine aufgeschlagene Nase konnte ich mit etwas Make-Up kaschieren. Schnell noch in die weißen Stiefeletten. Kurz darauf standen wir, zwar noch etwas benommen, neben den anderen Mädchen in Zweierreihe. Die Musik spielte auf und wir marschierten ein. Rechtes Bein hoch, linkes Bein – mir tat alles weh. Auch das Pflaster blieb nicht da, wo es hingehörte. „Halt! Stopp!“, schrie Herr Mehring: „So geht das nicht! Dein Bein sieht furchtbar aus. Morgen leuchtet es zudem noch in allen erdenklichen Farben – so können wir keinesfalls auftreten!“ Er wand sich ab und ging zu Frau Gramer. Sie war die Stellvertreterin des Vereins. Kurz darauf kam er zurück und sprach zu uns : „Besorgt euch morgen Vormittag alle andere Strumpfhosen! Dunkel müssen sie sein! Am besten alle in schwarz!“
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