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 Betreff des Beitrags: Re: jetzt gerade
BeitragVerfasst: Di 28. Jun 2022, 09:34 
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Schön, wenn ihr helfen konntet.

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 Betreff des Beitrags: Re: jetzt gerade
BeitragVerfasst: Di 28. Jun 2022, 22:15 
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Jetzt gerade
komme ich aus dem Schlaf und der Rücken hat schwere Steine geladen aus dem Traum und ist noch nicht wach.


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 Betreff des Beitrags: Andachtslichte
BeitragVerfasst: Fr 1. Jul 2022, 17:28 
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Jetzt gerade
habe ich den Apparat abgeschaltet. In einem banalen, aber nicht unangenehmen Fernsehfilm wird der traditionsreiche Rat erteilt, bei großem Kummer zu den Kerzen zu gehen. Den kleinen, die in Nebenaltären mancher Kirchen und Kirchlein sicher auf Holzgestellen stehen, ein kupfernes gehämmertes Gefäß, von Alter schwarz, mit einem Schlitz daneben für den Obulus, der für die Kerze zu entrichten ist.
Und ich fühle sofort mit, fühle mich angesprochen, stecke noch in jeder Kapelle, jeder Abtei, jedem Dom, die mir im Urlaub zum Anschauen begegnen, eine Kerze an. Über die Jahre auch unterschiedlich viele. Für die von uns gegangene Großmutter. Für die kranken Schwestern. Für das Licht, das eine Dunkelheit erhellen möge.
Nach allem Verlassenwerden (von Gott) und jedem Vernachlässigen und unentwegten Vergessen (von mir) immer noch eine Inbrunst. Eine Magie. Die hilft. Ein Stück weit des Wegs.

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 Betreff des Beitrags: jetzt gerade
BeitragVerfasst: Fr 15. Jul 2022, 18:41 
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Bewegungslos saß ich in der Abendsonne und dachte über ein Kapitel meiner Lektüre nach. Ein Tod war eingetreten.
Vor mir im wildwüchsigen rankenden Unsterblichkeitskraut eine Hummel. Sie bewegte ihre Glieder, ihren Körper. Eine Blüte konnte ich in den kleinen grünen Blättern nirgendwo erkennen. Die Hummel streckte sich, zog die Beine durch ihr Mundwerkzeug und ich dachte an Zähneputzen. Das Schild am Zeh des Toten kreuzte meine Beobachtungen. Das Tier putzte sich und putzte sich. Oder hatte es ein anderes unter sich? Paaren Hummeln sich so? Das Hinterteil der Hummel – oder eines anderen Tieres – war dunkel, glänzend, als ob es nass wäre.
Sie flog dadavon.
Ich stand von meinem Stuhl auf und trat nähe an dies Kraut, das genießbar ist in Saucen oder trinkbar als Tee, aus den asiatischen Ländern kommt und für ein beinah ewiges Leben sorgen soll. Grüne Blätter, nichts Zurückgebliebenes. Auch nirgends die kleinste Blüte. Die Hummel hatte für mich merkwürdig ausgesehen, war aber offensichtlich nur zu einer ausführlichen Säuberung auf dem Blatt gelandet.

Meine Gedanken gingen zu den Bährufen der Erwachsenen, wenn zwei Hunde das taten, was mir als Kind verschlossen blieb. Irgend etwas Unanständiges. Eine Aufregung. Worum? Man zog mich weg.
Als ich bei den befreundeten Nachbarn Kirschenpflücken und Apfelernten lernte, Leitern bestieg, später Kartoffeln mit aus der Erde holte, bin ich auch gern im Kuhstall gewesen. Die ein und ausfliegenden Schwalben, ihre Lehmnester hoch oben, die Kühe. Nur vor dem Bullen hatte ich Respekt.
Ich fasste Mut und traute mich zu fragen, ob man mir das Melken zeigen würde. Vom Händereinigen, Einfetten mit der Melksalbe, Euter Abwischen, Einfetten, auf den Schemel setzen. Ich lernte Melken und war sehr stolz darauf, Untertertia in der Stadt, draußen der Kuhstall. Beinah ein Eimer voll Milch kam aus einer Kuch. Aus m e i n e r Kuh.
Eine Kuh war trächtig und es war an der Zeit. So stand es auf der Stalltafel. Von den Eltern war mir untersagt worden, beim Kalben dabei zu sein.
Ich zog einen Kittel der Bäuerin über und ein Kopftuch, damit ich nicht so nach Kuh und Mist röche (sagte mir die Bäuerin immer).
Im Stall außer den Rindern drei Männer.
Eine Kuh war trächtig und es war an der Zeit. So stand es auf der Stalltafel. Von den Eltern war mir untersagt worden, beim Kalben dabei zu sein. Der Bauer strich der Kuh über Kopf und Hals und sagte laut und beruhigend: Ruhig, Lies, ruig! Die anderen beobachteten den hocherhobenen Schwanz und die große Öffnung darunter, zu der ich in jener Zeit noch keinen Namen hatte.
Seile in den Händen. Niemand beachtete mich und ich blieb an der Wand stehen. Das schreiende Blöken der Kuh. Die beruhigenden Männer. Lies, ruhig, alles ist gut. Die Männer traten an das Hinterteil heran, einer ging mit den Händen bis zum Unterarm in die Kuh hinein, der Strick ging mit. Ich sah beim Aufbäumen einen kleinen Huf. Die zwei Männer hängten sich jetzt an die Seilenden und zogen und zogen, ihre Gesichter rot, es schien kein Ende zu nehmen, dann glitt etwas nass auf den Strohboden. Dunkel, nass, glänzend. War das etwas Totes? Ich rührte mich nicht von der Wand. Die Männer packten Stroh mit beiden Händen und rieben das nasse Ding. Rieben und rieben. Das Ding bewegte sich ein wenig. Und mehr. Oben am Kopf der Kuh kopfte der Bauer den Hals und sagte wieder und wieder „brav, Lies, brav!“ und schob ihr etwas ins Maul. Zur Stärkung, sagte er.
Hier fehlt ein Stück Erinnerung, aber dann stand das noch verschmierte Kälbchen wacklig auf seinen Beinen.

b. d.
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 Betreff des Beitrags: Re: jetzt gerade
BeitragVerfasst: Sa 16. Jul 2022, 06:50 
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Tod und Unsterblichkeit und Lebensprozesse, im Hier, im Da, im Einstmals ... smiley_52:

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bye, bye, my I


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 Betreff des Beitrags: Re: jetzt gerade
BeitragVerfasst: Sa 16. Jul 2022, 08:10 
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smiley_80:
alles ist mit einander verwoben
das Gestern, das Heute, das Morgen
die Erinnerung
hat in der Gegenwart ihren Ursprung
bearbeitet das Erinnerte
das verankert ist in der Vergangenheit

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 Betreff des Beitrags: Re: jetzt gerade
BeitragVerfasst: Sa 16. Jul 2022, 10:29 
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Ja, das ist schön ausgedrückt, Mai Britt. Danke!
smiley_1:


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 Betreff des Beitrags: heiß und kalt
BeitragVerfasst: Mo 1. Aug 2022, 12:18 
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jetzt gerade
- habe ich mich über das Wetter in den nächsten Tagen informiert, was nehme ich mit zur Untersuchung, drei Tage.
- habe ich in Erwartung des sicher kommenden Herbstes und Winters eine Kupferwärmflasche fürs Bett ertingelt.
Ich besaß früher schon eine, die war lange in Gebrauch für ein vorgewärmtes Bett, bis sie, undicht, Wasser unter sich ließ. Wusste damals nicht, was tun. Heute weiß ich: löten. Aber wer löten könnte, weiß ich noch immer nicht. Erst einmal ist sie hoffentlich dicht! Und im Fall des Falles wird sich ein Löter, eine Löterin finden! Auf jeden Fall bin ich jetzt findiger geworden.


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 Betreff des Beitrags: Birkenreiser
BeitragVerfasst: So 7. Aug 2022, 20:21 
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Gerade jetzt
hat Annabel eine Zeichnung auf fb gestellt, ein kleiner Birkenzweig. So zart und gekonnt.
Und ich musste sofort an den Trieb bei mir im Topf denken. Die ersten Blättchen, das war doch eindeutig Birke! Sollte vom Samen im letzten Jahr doch einer angeschlagen sein!
Besonders umsorgte ich diesen Topf. Unsere "große" kleine Birke im riesigen Topf hielt jetzt schon länger als zehn Jahre aus, obwohl überall gesagt worden war: drei Jahre im Topf. Maximal.
Aber ihr Wasserdurst war schon ein Saufen. Vermutlich war der komplette Terracottatopf mit Wurzeln ausgefüllt und nirgends mehr Erde. Sie würde irgendwann ... lieber nicht dran denken.
Aber jetzt die Freude. Die wuchs. Und der Trieb wuchs, die Blätter vergrößerten sich ganz birkenungewöhnlich. Eine Elle misst das Grün, als ich endlich eine Pflanzenbestimmungs-App habe und fotografiere. Von oben. Dann weisungsgemäß ein Blatt einzeln. Dann die Bestimmung:
es handelt sich um eine Kirsche.
Mehr brauche ich wohl nicht zu erzählen.


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 Betreff des Beitrags: jetzt gerade
BeitragVerfasst: Do 10. Nov 2022, 23:00 
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jetzt gerade
denke ich darüber nach, seit wann eigentlich Gott und die Welt duscht. Großmutter aus Weimar hatte keine Wanne. Nur eine Schüssel zum Waschen. Die anderen Großeltern - da gab es eine Wanne, aber sie sind nie drin gewesen. Haben sich am Sandsteinspülbecken in der Küche gewaschen. Meine Mutter stieg nur in die Wanne, wenn mein Vater zu Hause war. Ängste.
Meinen Vater habe ich nie in der Wanne gesehen.
Halt! Stopp! Doch! Einmal in Erfurt, ich bin vielleicht 5 Jahre alt, reißt mir die Spülkette der Toilette ab. Großes Schuldbewusstsein, etwas kaputtgemacht zu haben. In Erwartung von Schimpfe. Stimmen aus dem Bad, ah, da sind die Eltern, ich öffne die Tür - und da gibt die Erinnerung nur noch preis, dass die Eltern sich gegenüber in der Wanne saßen. Nackt. Ich glaube, ich habe mein Schuldbekenentnis gestottert und bin rausgerannt wo schnell ich konnte. Mindestens das Gefühl, dass ich da nie hätte reingehen, das nie hätte sehen dürfen, Scham, ist noch wie ein Nebel in mir.


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 Betreff des Beitrags: Re: jetzt gerade
BeitragVerfasst: Mo 4. Mär 2024, 21:18 
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Jetzt gerade und seit Wochen versuche ich zu stützen, ermutigen, am Leben zu halten. Nein, das mit dem Leben liegt nicht in meiner Hand. Falls die eine aus Gebrechlichkeit, Panik, Hilflosigkeit und ablehnender Behandlung stürzt, stirbt oder in die Klinik muss, kann ich nichts tun. Mit Stimme am Telefon trösten. Falls der andere sich kaputtquält oder doch zu einem Medikament greift, um frei zu sein von den wochenlangen Depressionen, kann ich nichts tun. Jeden Tag eine Nachricht schicken. Jeden Tag eine Nachricht schicken. Eine Sonne, eine Blume, ein Bild. Besuch ist unerwünscht, weil die kranke Seele ihn nicht aushält. Telefon. Immer wieder versuchen, mit der Stimme die richtige Lage zu finden. Einfühlsam die Stimmung abzuschätzen. Eine Brücke zu schlagen. Hilfreiche Worte finden. Ein Band der Nähe zu flechten.
Sich selbst unendlich hilflos fühlen.


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