Laufbahn
Ich hatte die Passage gelesen – und muß gestutzt haben, denn als ich ein paar Seiten weiter war, blätterte ich zurück, bis ich sie wiederfand, und unterstrich die Sätze, schrieb sie sogar heraus in eines meiner Kolleghefte für Notizen. Dann las ich das Buch weiter.
Viele Jahre danach fielen mir in irgendeinem Zusammenhang bildhafte Bruchstücke dieser Passage wieder ein, aber ich hatte vergessen, wo ich sie gelesen hatte. Ich hatte sogar vergessen, daß ich sie herausgeschrieben hatte. Zuerst dachte ich an Thomas Mann, und blätterte und blätterte in meinen vielen Unterstreichungen in einigen seiner Romane, wo ich sie meiner Meinung nach hätte vermuten können, umsonst. Ich suchte im Weltweiten Netz, aber auch dort fand ich keine Hinweise.. Dann durchsuchte ich endlich meine vielen Kolleghefte mit Notizen, und – da war sie, säuberlich mit der Hand abgeschrieben und bewahrt. Sie lautete so:
„Es wird dir Spaß machen, Mira, wenn ich dir ... den jungen Hohenems als einen Menschen schildere, den das Leben nie schlucken wollte. Dabei ersehnte er sich nichts inniger, als vom Leben verschluckt zu werden, und versuchte bei jeder nur möglichen Gelegenheit, sich ihm durch die Gurgel zu zwängen, aber das Leben blieb eigensinnig und wollte nicht.“
Tania Blixen, natürlich. Ich fand ihre Formulierung, ihre Metapher besonders geglückt. Meine Thomas Mann-Vermutung lag derweil auch nicht ganz und gar daneben, denn er war, wie ich wußte, einer ihrer Lieblingsautoren gewesen.
Die Passage mußte sich mir durch das mühsame Aufsuchen besser eingeprägt haben, denn in der Folge dachte ich ab und zu an sie, wenn ich an eine bestimmte Person oder literarische Gestalt dachte und mir das eine oder andere Lichtlein aufging. Könnte am Ende zum Beispiel Tania Blixen selbst etwas zu tun gehabt haben mit ihrer Beschreibung eines solchen Lebenszustandes?
Das große Licht ging mir erst auf, als ich, schon alt geworden, vor nicht langer Zeit wieder einmal diesen Favoriten von früher zur Hand nahm und las.
_________________ bye, bye, my I
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