Der kleine Kutter und das Meer
Hamburg ist jetzt still. Es dämmert. Der kleine Kutter, mit dem ich noch eine Hafenrundfahrt unternommen hatte, liegt schaukelnd an seinem Seil. Hafenrundfahrten liebe ich. So eine Fahrt ist immer wieder anders. Selbst, wenn man sie immer und immer wieder mitfährt. Was für ein Gefühl, wenn sich dieses kleine Schiff den Wellen hingibt. Wenn sich das Wasser an die kleinen Lucken vorbeischält, wenn der Geruch des Wassers die weite Welt anpreist. Oder das kleine Boot sich in die Wellen hineinschaukelt. Manchmal spritzt das Wasser hinein in die Luke. Die Möwen fliegen kreischend über den Schiffen oder Booten, und das Wasser es riecht nach Fernweh. Wenn ich weit hinaus seh, dann ist da nur das Meer und ich, meine Sehnsucht nach der Ferne und meine Liebe. Jetzt, da es dämmert, liegt das Meer in seichter Stille, nur manchmal bäumt es sich leise auf in seiner dunklen, bläulich-grün-schwarzen Farbe. Je nachdem, wie nun das Licht von den Laternen der Promenade einfällt. Mir fallen die zwei kleinen Lampen ein, im Stiele der früheren Gas- bzw. Öllampen auf der Fahrt durch den Hafen, die über einem alten Schild hingen auf dem HAMBURG stand. Der Kapitän des kleinen Kutters, der die ganze Zeit über erzählt hatte und zwischendurch zur Belustigung aller Gäste Seemannslieder trällerte, war in den Abend hineingegangen. Hamburg hat sich im Glanz seiner Lichter und im Blick der mächtigen Schiffe zur Ruhe gelegt. Wie schön dieses Hamburg ist. Und doch stören mich diese neuen Gebäude, am Hafen. Früher waren das die alten Speicher. Sie wurden zum Teil abgerissen und an Stelle dessen baute man neue Häuser, im Stile neuer Architektur. Das passt nicht und nimmt den schönen, melancholischen Anblick dieser Seite der Speicher weg. Zum Glück hat man es wohl selbst bemerkt und stoppte den Abriss der alten Gebäude. Die Möwen sind still, kein Mensch mehr auf der Promenade. Hier, wo sich das Leben abspielte, wo die Abenteuerlust einen überkam, wo das Fernweh sich mit den ausfahrenden Schiffen an Bord stahl, hier ist jetzt alles ruhig und ein seltsames Gefühl überkommt mich. Für einen Moment, in Gedanken auf der Fahrt in die weite Welt, auf einen der grossen Schiffe, bin ich glücklich.. Afrika, Indien... Amerika. Irgendwohin.
Copyright by Birgit Marie Nessel 2003<br>
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