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 Betreff des Beitrags: DIE NEUGIERIGE BLUMENFEE
BeitragVerfasst: So 20. Jul 2003, 11:09 

Mitten zwischen hohen Bergen, in einem grünen Tal voller Blumen und Bäume, lebte einst eine neugierige Blumenfee.

Viele andere Lebewesen waren hier zu Hause. Die lebten, liebten, träumten und erzählten einander Geschichten. Wie überall auf der Welt gab es auch hier Streit, Missgunst, Angst, Neid, Auseinandersetzungen und Konflikte.

Nichts im Leben liebte unsere neugierige Blumenfee mehr als das Sammeln von spannenden Geschichten. Vom vielen Zuhören hatte sie schon ganz große, rote Ohren bekommen. Es war, als wenn sie all diese Geschichten selber erleben würde. Streit mochte sie nicht. Schnell wie der Wind stand sie neben den Streitenden und schwang ihr Zauberstäbchen:
„Dideldidum und Sumdibau. Streit geh vorbei, Frieden herbei!“ zauberte sie und fühlte sich groß und mächtig. Was war sie nur für ein friedfertige Blumenfee.

Die Jahre vergingen. Während sie die Ohren spitzte und immerzu angestrengt lauschte, um nur ja keine einzige Geschichte zu verpassen, wurde Fee mit den Jahren immer müder und müder.
Sie sah kaum noch ihr grünes Tal zwischen den hohen Bergen, nahm den Duft der Blumen nicht mehr wahr und schmeckte den süßen Nektar nicht mehr. Auf der Haut spürte sie den Wind und die Sonne nicht mehr.
Mit dem Zuhören war sie so beschäftigt, dass sie gar nicht gemerkt hatte, dass sie einsam geworden war.

An dem Tag, an dem die Blumenfee drei mal hundert Jahre alt wurde, gab es niemanden, der ihr zu diesem besondern Festtag gratulierte.

Am Abend saß sie unter einer hohen Kastanie und weinte bittere, salzige Tränen. Zum ersten Mal seit langer Zeit wollte sie keine Geschichten mehr hören.
Statt dessen hörte sie die Blätter der Kastanie im Abendwind rauschen und aus den Bergen erklang eine zarte, fröhliche Musik. Sie roch den aromatischen Duft der Kastanienblüten und sah einen großen, runden Vollmond am Himmel erscheinen.
Von all dieser Schönheit fühlte sie sich tief berührt, und sie sehnte sich nach den Musikanten fern in den Bergen.
„Was ist mit mir geschehen? Wie konnte ich die Schönheit um mich herum vergessen?“ sagte sie zu sich selbst.
„So viele Geschichten habe ich gesammelt, und dabei übersehen, dass mir mein eigenes Leben aus den Händen geglitten ist. Ich muss darüber nachdenken.“

Die Blumenfee war noch immer sehr traurig, aber ihre Tränen begannen zu trocknen. Sie flog in die große ausladende Kastanie, rollte sich wie eine Katze zusammen und wickelte ihre Flügel wie eine Decke fest um sich herum. Kurz vor dem Einschlafen, fast schon im Traum, meinte sie eine Stimme zu vernehmen, die ihr etwas zuraunte:
„Schlaf mein Kind, schlaf tief und fest. Träume von all dem, was an Schätzen in dir steckt. Tief in dir selbst besitzt du alle Fähigkeiten, dein Leben so zu verändern, wie es dir gefällt.“

Als die Blumenfee am nächsten Morgen erwachte, fühlte sie sich ausgeruht, wie lange nicht mehr. Sie wickelte sich aus ihren Flügeln, reckte und streckte sich, atmete die frische Morgenluft ein und dachte bei sich:

„Ich fühle mich lebendig und voller Tatendrang. Ich habe wunderbar geträumt. Heute ist der erste Tag meines neuen Lebens. Ich werde in die Berge fliegen und die Musikanten suchen.“

Sie trank ein bisschen Blütennektar, breitete ihre Flügel aus und flog los.
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