Suppe, Brot oder Kaviar
Vergessene Zeiten umschlingen Uhren in der Zukunft Trautes Heim Suppe, Brot oder Kaviar?
Der alte Gauner Dein Pilasch
Komisch war ihr, als sie auf dem alten Bahnhof stand. Die alten Holzbänke sah und das alte Holz roch. Durch das Fenster, welches mit Spinnfäden verhangen war, schien die Sonne und liess diese Netze in einer kleinen Wunderwelt erscheinen. Die Scheiben waren voll mit getrockneten Regenspuren. Und überall lag über dieser Geschichte Staub. Erinnerungsstaub. Eine Distel hatte sich vor dem Fenster behauptet und leuchtete mit ihrer lilafarbigen Blüte in den Tag hinein. Zwischen den alten Pflastersteinen wucherte Löwenzahn und an den Rändern und den Mauern des alten Bahnhofs Taubnesseln und Brennesseln. Früher zog sie den honigartigen Saft aus der Taubnessel. Kaum zu spüren auf der Zunge, aber ein besserer Geschmack als der Sauerampfer, den sie gelegentlich ass. Oft verfluchte sie diese alten Holzbänke, weil sie ihr so oft den Rücken schmerzhaft machten in den Wartezeiten auf Pilasch. Dieser Griesgram. Alles war anders, da sie wieder hier stand. Pilasch lebte nicht mehr und die alten Gleise waren verrostet. So wie die Menschen langsam verrosten, wenn sie alt werden, so verrosten auch ihre einstigen Wege. Sie zog die Postkarte aus ihrer alten, zerrissenen Jacke und las seinen letzten Gruss. Und dann, noch immer konnte sie es nicht fassen, stand da": Dein Pilasch." Tränen kullerten ihr über die Wange. Nie hatte er es vorher gesagt oder geschrieben": Dein Pilasch" und nun musste sie damit fertig werden. Jetzt wo er ihr nicht mehr entgegen laufen konnte und ihre Flüche über seine Rauhbeinigkeit ertragen musste, da schrieb er ihr plötzlich solche Worte. " So ein Schuft, so ein Schuft, du Schuft!" Aber sie sagte es liebevoll und beinah zärtlich. Und ausserdem hörte sie ja keiner. Sie war allein mit all den Erinnerungen, den Worten auf der Postkarte, den Bildern in ihr an ihn. Pilasch- und sie erinnerte sich an seinen Trotz, erinnerte sich an seine Bartstoppeln, seine alten ausgetretenen, schwarzen Lederschuhe an denen ein Stück der Sohle fehlte und er regelmässig dadurch, wenn es regnete, nasse Füsse bekam. Im linken Schuh die Ferse und im rechten Schuh an der Seite. Aber er weigerte sich neue zu kaufen und er nahm auch nicht Zeminas Schuhe an, die sie ihm kaufte, weil sie sich sorgte um seine Gesundheit. Seine alten Wollsocken hatten riesige Löcher und einmal nahm Zemina sie und warf sie weg, während er in ihrem alten Sessel eingeschlafen war und das Buch über Katzen auf seinen Beinen lag und er gehörig schnarchte. Aber Pilasch wurde zornig als er erwachte und ihr blieb nichts übrig als sie ihm zurück zu holen. Beinah tödlich trafen seine Blicke, als er sah, dass sie die Socken mit zwei Fingern weit von sich weg trug und ihr Gesichtsausdruck ihren Ekel verriet. Pilasch fand das alles gar nicht lustig und es kratzte ihn an seiner Ehre, dass eine Frau über ihn bestimmen wollte. " Weibsbilder!" -brachte er ärgerlich hervor. Was hatte sie nicht alles versucht. Sie nähte heimlich drei fehlende Knöpfe an seiner Jacke an, die er sofort ärgerlich wieder abriss, sie legte in seinen alten Rucksack Butterbrote, die er ihr wieder hinlegte, da er solche Almosen nicht wolle. Es war schwer für sie mit diesem Dickkopf. Und nie wollte er, dass sie ihm folgte, ihn vielleicht begleitete mit der Bahn. Nur bis in den alten Bahnhof liess er es zu. Immer wenn er bei ihr war und er sich irgendwo aus dem Nichts meldete und stets vorher mit einer Postkarte sein Kommen ankündigte, sich irgendwie durch schummelte ohne Fahrkarte , wusste Zemina- es würde wieder weder leicht noch schwer mit ihm werden. Und sei es wegen einer Katze. Pilasch liebte Katzen, aber weil er kein richtiges Zuhause hatte, konnte er auch keine halten. Und so bearbeitete er dann immer Zemina. Er redete ihr gut zu, wie schön es sei eine Katze zu haben, wie sie schnurren könnte und das sie sogar heilsam gegen Rheuma sei, er ging beinah keinen Schritt ohne das Katzenbuch, schleppte es überall mit hin und zeigte ihr es immer wieder. Er war ein Sturkopf und wollte sie überzeugen, komme was da wolle. Das ging so weit, dass sie es nicht mehr aushielt und ihn vor ihre Türe setzte. Aber ihre Wut hielt nicht lange an und sie konnte es nun mal nicht mit ansehen, wie er auf dem Boden schlief vor ihrer Türe. Und übertreiben wollte sie es auch nicht, denn er wäre sicher nicht lange da liegen geblieben, sondern wieder gefahren. Pilasch war frei. Und diese Freiheit hinderte ihn daran zu leben wie andere lebten. Seine Versuche blieben trotzdem erfolglos, denn sie sah es ganz und gar anders, mochte zwar auch Katzen sehr gerne, aber wollte keine.
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