Gelebte Tage
Entsprang er dem Nichts, der Fluss in meinen Gedanken? Ich entsinne mich nicht, nur seiner verschiedenen Gesichter und Hinterlassenschaften. In winterlicher Starre sah ich mich mit ihm erfrieren, entfloh meinem Körper und spürte keinen Drang nach Rückkehr, Gefühle im Tiefschlaf, nur noch Leere und Dunkelheit. Sekunden währten zur Ewigkeit, ... bis das Frühjahr neues Leben in warmfarbigem Licht gebar. Lebensgeister durchdrängten sogleich jede Zelle und sorgten für offene Augen, Schmetterlinge vor marmorierten Himmelsbildern. Tief in mir empfand ich sehnsuchtsvoll mit allen Sinnen aufgesogene Geborgenheit einer lebendigen Welt.
Mehrere Winter sah ich und einige Sommer. Jeder Tropfen war wie ein Tag, spiegelte Berge und Täler tief im Inneren. Unzählige Tage flossen vorüber. Erwartungsvoll folgte ich ihrem Lauf und gelangte zu einem weit verzweigten See mit inselartigen Erhebungen. Am Ufer blieb ich stehen und las die Inschrift der abgegriffenen Tafel. "L E B E N" stand dort geschrieben.
Kerstin Wiegand © 31.12.2003
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