"Ales, Gard, France
In Ales ist Maronen und Handwerksmarkt, der Himmel verspricht gar nichts, es regnet nicht, ist aber bedeckt, also warum nicht. Ein Parkplatz nahe dem Zentrum ist schnell gefunden, kein Problem am Sonntag in einer Provinzstadt mit 41000 Einwohnern.
Bei der Anreise war mir schon aufgefallen das der Gardon, hier heissen alle Flüsse Gardon, werden nur noch durch das Nennen der durchflossenen Stadt unterschieden bevor sie sich zum Gard vereinen, in ein Betonbett gezwungen wurde. Die Altstadt wird im Halbkreis von diesem Fluss umströmt, die Ufer in Richtung Stadt sind durch hohe Deiche gesäumt auf denen ein Kranz von Hochhäusern errichtet wurde. Man geht durch eine Altstadtgasse und sieht sich an der nächsten Ecke einer unbeschreiblichen Bausünde gegenüber. Schade, da ist viel verschandelt worden.
Wir schlendern durch die Gassen, streben dem Markt zu. Durch die allgegenwärtigen Lautsprecher schallt landesübliche Folklore, Trommel- und Flötenmusik, unterbrochen von Ansagen und Gewinnspielen, meist mir der nur wenig französisch spricht, unverständlich. Die Stimme von Demis Roussos schallt plötzlich über den Platz: „It´s five o’Clock“ gespielt zusammen mit Vangelis in der Band Aphrodites Child. Klingt ein bisschen seltsam hier eine Psychedelische Rockband zu hören. Aber trotzdem, mein Herz schmolz ob der süssen Stimme und des breiten Klangteppichs.
Der Markt selber entpuppt sich als Konglomerat von Winzern, Maronenbauern und Kitschhändlern. Dazwischen auch viele traditionelle Charcutiers, die Gegend ist bekannt für ihren Reichtum an luftgetrockneten Wurstwaren aus allerlei Getier. Fast jeder Bauer hier hat mehrere Sorten „Chataignes“ wie unsere Maronen hier genannt werden im Angebot.
Gerüche vielfältiger Art mischen sich, dort die Bratwurst; natürlich mit Maronenstückchen angereichert, hier geröstete Maronen, von da hinten kommen noch ein paar arabische Gewürze dazu, gemengt mit dem synthetischen Gestank der Duftseifen. Später im Cafe können wir draussen sitzen und die Flaneure beobachten. Die Sonne hat sich durchgesetzt, wärmt uns den Pelz mit angenehmen vierundzwanzig Grad. Der Pastis ruht milchig im Glas, die Eiswürfel funkeln. Alle Menschen um uns herum sind sonntäglich unaufgeregt, es sind kaum noch Touristen da. Nur die Garcons flitzen weil das gute Wetter ihr Geschäft ankurbelt. Gelegentlich röhrt ein Motorroller mit adoleszentem Fahrer vorbei, auf die Bewunderung der jungen Weiblichkeit hoffend.
Später beim Einkauf wird der Speiseplan spontan geändert. Wir wollen Steinpilze auf Spaghetti kochen doch das französische Wort für diese Pilze – Cepes - will mir partout nicht über die Lippen kommen. Die entwaffnende Freundlichkeit der jungen Verkäuferin überbrückt aber auch dieses Problem. Wie verlassen den Stand nicht ohne auch noch einen Beutel süsse Zwiebeln, eine Spezialität der Cevennen erstanden zu haben."
(mit freundlicher Genehmigung von Zenzero)
Ales`von Angie
Wir sitzen draußen in einer Bar. Der Himmel ist zunehmend blau geworden, jenes flirrende, magische Blau, dass man nur im Süden findet. Die tiefstehende Sonne strahlt intensiv in meinem Rücken. Während ich meinen ersten Pastis dieses Urlaubs trinke, werde ich schläfrig. Mitten auf dem Kastanienmarkt sitzen wir zwischen heiterer Gelassenheit.
Hier sind die Platanen noch nicht beschnitten. Die Menschen um uns herum sind ohne Eile. Sonntägliche Gelassenheit liegt über dem kleinen Ort. An einem Tisch in der Nähe hat sich eine folkloristische Tanzgruppe zum Essen niedergelassen. Sie plaudern angeregt und gestikulieren lebhaft. Der Garcon ist freundlich. Es ist unser erster Tag, ich komme gerade erst an, brauche eine Weile, um mich an all die neuen Eindrücke zu gewöhnen.
Unsere Hinfahrt in den Süden gestern, durch Regen und dramatische Wolkengebilde, war anstrengend. Kurz vor dem Ziel begegnete uns ein "Todesengel": An einer abschüssigen kurvenreichen Straße, rechts Felsen, links Feld, schleuderte er uns entgegen. Im Bruchteil einer Sekunde registrierte ich die Situation, und ein einziger intensiver Gedanke blitzte mir durch den Kopf: "Du triffst uns nicht", dann war er haarscharf an uns vorbei, landete mit einem Satz ohne sich zu überschlagen im Feld. Der Fahrer stieg unverletzt aus. An diesem Nachmittag haben wohl mehrere Schutzengel Schwerstarbeit geleistet. Wir könnten schwerverletzt oder tot sein , ein Wagen hinter uns hätte uns zusätzlich erwischt. Es ist gutgegangen. Für mich war es ein Schock.
Alles geht mir in der Bar noch durch den Kopf. Wie schnell kann alles gehen! Ein Grund mehr den verlockenden Duft von gerösteten chataignes, den kühlen Pastis, die Herbstwärme und auch die Schäfrigkeit dieses Mittags zu genießen; bittersüß, wie ein neu geschenktes Leben und dem ein Lächeln zu schenken, der schon seit 28 Jahren mein Gefährte ist.
Zuletzt geändert von Angie am Fr 5. Nov 2004, 21:08, insgesamt 1-mal geändert.
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