es gibt tage, die sind zum heulen, und dann macht man selber das ganze noch schlimmer. nach einem mehr als frustigen arbeitstag packt mich eine stunde vor ladenschluss die glorreiche schnapsidee, kleider einzukaufen. in ein paar wenigen wochen ist feiern angesagt – weihnachten im kreis von arbeitskollegen, im kreis von freunden, im kreis der einen und der anderen hälfte der familie. danach silvester und überhaupt täte es meinem novembervernebelten ego etwas farbe ganz gut.
mit geübtem blick und sicherer hand arbeite ich mich durch regale und bügel, finde da und dort ein schönes teil in meiner grösse und bahne mir - vollbepackt wie ein leuchtender christbaum, vorbei an hilfsbereit lächelnden verkäuferinnen (warum sehen die abends noch aus wie frisch geduscht und angemalt?), durch gestelle und kleiderständer - den weg zu den umkleidekabinen.
es riecht nach plüschpuffparfum und fussschweiss. keine luft und kein platz, dafür gleissendes licht wie auf dem zahnarztstuhl. ich unterdrücke das flaue gefühl von klaustrophobie und versuche, nicht zu atmen. wie ich mich bücke, knallt mein hintern an die rückwärtige spiegelwand, dass es scheppert. alles noch ganz, gottseidank. jeder eierlegende hühnervogel hat heutzutage anspruch auf mehr platz. draussen wird leise gekichert. was sind das für menschen, die solcherartiges bauen? bequemliche versandhauskunden, die alles zu hause in der guten stube anprobieren? göttergatten, die brav im sitzen pinkeln und von mutti eingekleidet werden? gut betuchte, mehrbessere herren der schöpfung, die sich in den exklusiven gefilden von hannes b. bei einem cüpli und amuses bouches stilistisch beraten lassen?
mir ist heiss. das grelle licht blendet in den augen. nebenan berät eine genervte grossmutter ihre tochter beim einkauf neuer jeans. „ach was, die sitzen doch perfekt!“ der kleine macht sich in der zwischenzeit an meinem vorhang zu schaffen und grinst mich an. „aron, komm zu oma! aaarrronn!!!“ schnell raus aus den klamotten und rein in die edlen stoffe. im spiegel der blick einer graugesichtigen frau und dahinter die rückenansicht einer halbnackten mit der postur meiner mutter. ist eigentlich der prozentuale anteil von frustkäufen am jährlichen umsatz der bekleidungsindustrie je untersucht worden? ich bin durch und durch davon überzeugt, dass die chief financial officers mit mir im derzeitigen zustand als fester, kalkulierbarer grösse rechnen. muss ich mir das antun? ich zieh die jeans wieder an. heute nicht, meine herren!
_________________ mir ist die lächerlichkeit, gedichte zu schreiben, lieber als die lächerlichkeit, keine zu schreiben. (wislawa szymborska)
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