wie aus bekannten quellen verlautete, wurde der morgige tag aus dem kalender gestrichen. wir gehen nun von einem ewigen heute mit tendenz zum gestrigen aus. bewegen uns immer weiter rückwärts, immer weiter, bis wir über das (theoretische) morgen im heute auf uns treffen. balancierend auf den letzten nanosekunden des heutigen/gestrigen/morgigen tages existieren wir (?) vor uns hin und hoffen auf ein leben im morgigen gestern, welches schon längst vom heute überholt wurde.
nachtrag: sollten sie während des nanosekundenbalanceaktes auf einen menschen stoßen…lachen sie ihn aus und stoßen ihn in dieses loch, welcher irgendwann ein tag gewesen.
ich empfange diese nachricht (in meinem raum sitzend) über die kleinen unsichtbaren antennen, die links und rechts aus meinem kopf wachsen. die nachricht stammt von den jüngern der erneuerten kirche. sie suchen nach einem weg, rückwärts in der zeit. wollen dort, in einer vergangenen gegenwart, den herrn finden und um erlösung bitten. wahrscheinlich waren sie einer zu hohen strahlenmenge ausgesetzt. ich bin schon eine lange zeit in diesem raum, meine ameise ist tot. sie starb damals beim „großen fehler“, wie fast alle damals starben. der rest von uns lebt in -erdoasen-. besser gesagt, wir werden hier bewahrt. zur erhaltung der art, nehme ich an. von wem? von engeln! sie sind sehr gut zu uns. beruhigen uns, wenn die strahlenteufel in uns wüten. ich habe mir ein schachspiel geschnitzt. anfangs spielte ich noch mit meiner ameise. jetzt spiele ich gegen gott. er sagt, er sei schon immer hier gewesen, aber er ist zu schwach. selbst die ameise war stärker. einmal am tag dürfen wir für eine stunde in den hof. länger wäre ungesund, denke ich. dort steht der letzte baum, und ein wenig gras, und blumen gibt es. der hof ist von einer mauer umgeben. hinter der mauer ist das meer. irgendwo dahinter ist das meer. ich kann es nicht sehen, nicht hören. aber ich fühle seine nähe. manchmal schreibe ich etwas für die ewigkeit auf einen zettel, zerknülle ihn zu einer kugel, und werfe das papier heimlich über die mauer. für die ewigkeit und das meer dahinter.
gestern, flog ich zum mond. zum mond, der mir so ähnlich. mit meeren und kratern. meere ohne wasser und tiefe. und krater. voller wunden, so tief wie das meer.
anne mag ich besonders gern. einer der engel sagte mir ihren namen. anne spricht nicht. besser gesagt, sie spricht nur ein einziges wort:
miami!
wenn wir gemeinsam über den hof schlendern, bleibt sie von zeit zu zeit stehen, streckt ihren arm aus und zeigt mir ihrem finger auf einen unbestimmten ort über der mauer:
miami!
ich weiß nicht, was es damit auf sich hat. aber es genügt mir, dieses wort.
<img src="http://www.fiedlers-ground.de/images/mauer_1.jpg">
_________________ Der Kopf denkt weiter als man denkt.
Zuletzt geändert von Otti am Do 23. Jun 2005, 08:58, insgesamt 1-mal geändert.
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