Über die höhere Bedeutung der Dusche, 2. Teil
„Ahhh, das wäre geschafft – jedenfalls alles, was ich mir auf diesem Gebiet für heute zuzumuten bereit bin. Und nun ab ins Bad, denn in einer halben Stunde beginnt das BBC-Kulturmagazin. Man möchte ja auf dem Laufenden bleiben, und dank dem britischen Steuerzahler und ein paar trefflichen technischen Erfindungen gelingt einem das auch wunderbar, selbst hier am Rande der bewohnten Welt. Was wäre unsereiner ohne den BBC, nicht auszudenken. – Ist Haarewaschen dran? – Ja, ist dran, was für Strähnen. Dieses extreme Klima zehrt an Haupt und Gliedern. – Wie heiß das Wasser vom Dach schon wieder ist, draußen müssen an die vierzig Grad sein, jetzt ist man absurderweise zum Dazumischen etwas kühleren Wassers schon wieder auf den Boiler angewiesen. Gut, daß ich ihn schon lange nicht mehr erhitzt habe. – Ja, so gehts einigermaßen, wenn daraus auch weiter keine Erfrischung werden wird, auf dergleichen kann man in diesen Breiten ab April nicht mehr hoffen. Also erstmal Shampoo ins Haar. – Ins Haar! nicht in die Augen!!! – Wasser, Wasser! – Wird einem ohnehin fast zur Obsession hier, der Gedanke an Wasser. Dank sei also auch noch den Göttern der Meerwasserentsalzungstechnik abgestattet, da wir schon mal bei Danksagungen sind, und den Göttern der Stromerzeugung gleich mit, welche die Klimaanlagen speisen – man lernt hier wahrhaftig andere Gebete beten. – Wasser und Kühle. – Flüsse, Ströme, Meere. – Nebel, Regen, Eis, Schnee, naßkalt, frostig, Sauwetter – alles Dinge, die ich nun schon seit einer ganzen Reihe von Jahren nicht mehr erlebt habe. Und bin zwar morgens noch nie zu viel zu gebrauchen gewesen, aber es gab für mich immer so etwas wie den Zauber eines frühen Wintermorgens, den ich nie vergessen habe. – Im Norden, draußen noch Dunkelheit, die Lichter in den Fenstern der Nachbarn... und dann der Weg zur Schule, leise knirschenden Schnee unter den Sohlen, frostige Luft im Gesicht, der schwache Lichtschein der Straßenlaternen, die geisterhafte Schneehelligkeit, die gedämpften Geräusche... wie ich einmal in einem Winter sonntags früh zum Krankenhaus marschierte, wo ich mir damals mein Taschengeld verdiente... der Schnee, der sich über Nacht auf die Gehwege gelegt hatte,war noch vollkommen unberührt, mitten in der großen Stadt, die noch schlief, und ich war die Erste, die an jenem Tag eine Spur hinterließ...- Nein, ich bin für dies hier nicht geschaffen, dieses ewige „schöne“ Wetter, taqsun hassan – wie es im arabischen Wetterbericht auch noch bei fünfundvierzig Grad im Schatten ungerührt verkündet wird – ich bin in Wahrheit ein Wesen des Winters und der Nacht. – Möchte wissen, was aus meiner Meinung würde, bekäme ich einmal wieder Gelegenheit, einen ganzen langen, norddeutschen Großstadtschmuddelwinter zu durchleben. Ginge mir wahrscheinlich genauso auf die Nerven wie allen andern Leuten. – Warum bin ich jetzt mit den Waschbewegungen durcheinander gekommen? Wo war ich stehengeblieben? Hab ich den Rücken schon? Egal, dann eben noch mal. - Wie man auf den unbewußten Ablauf solcher ritualisierter Bewegungen angewiesen ist. Jeder hat dafür wahrscheinlich seine ureigene Reihenfolge entwickelt. Erleichtern die mechanischen Lebensvorgänge, so daß man den Kopf frei hat für unangebrachte Winterträume, zum Beispiel. Wäre auch unausstehlich, wenn man diese Dinge jedesmal neu überlegen müßte. – Was hatte ich gerade eben gedacht, was ich mir merken wollte? – Ist mir nun doch entfallen, wird wohl nicht weiter wichtig gewesen sein. Fällt mir vielleicht auch wieder ein, arbeitet oft auf merkwürdige Weise, der Kopf. Da sucht man manchmal nach etwas, einem Wort, einer Wendung, einem Zitat, und es liegt einem sozusagen auf der Zunge oder kurz davor (aber wo wäre das?), ist aber ums Zerspringen nicht hervorzutreiben. Muß man dann einfach lassen, locker lassen, loslassen, fahren lassen – und siehe da, irgendwann, vielleicht Tage später, in einem völlig anderen oder gar keinem erkennbaren Zusammenhang ist es plötzlich da – nach einer eigenen, undurchschaubaren Fahrt durchs Hirnlabyrinth. Und entweder braucht man es dann nicht mehr oder man hat wieder ein paar Treppen zum Schreibtisch zu rennen. Oder es funktioniert gar nicht, aber davon merkt man dann nichts, weil man eben vergessen hat, worum es ging und daß da etwas war.
_________________ bye, bye, my I
Zuletzt geändert von Eva am Mo 8. Aug 2005, 07:30, insgesamt 1-mal geändert.
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