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 Betreff des Beitrags: Re: Eine Frage des Lebens
BeitragVerfasst: So 2. Okt 2005, 20:55 
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 Betreff des Beitrags: Eine Frage des Lebens
BeitragVerfasst: So 2. Okt 2005, 20:55 
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„Ist schon hart, was?“
„Was? Was soll das? Wer bist du?“
„Ich denke, wir sollten es innere Stimme nennen.“
„Innere Stimme? Aber ich bestimme meine innere Stimme. Du hingegen bist mir fremd!“
„Lass es uns nicht zu kompliziert machen. Sagen wir, dass ich zu Besuch bin. Ein Gast, der dir ein Gastgeschenk überreichen möchte. Womit wir wieder am Anfang des Gesprächs wären. Ist schon hart, was?“
„Was ist hart?“
„Na, du weißt schon. Die Geschichte mit deiner Frau. Sieht nicht gut aus. Diesen Krebs schickt aber auch der Teufel. Sie war eine so schöne Frau…und sie ist noch so jung. Wie gesagt…ist schon hart!“
„Was soll das? Was willst du in meinem Kopf. Geh einfach wieder. Ich halt mich kaum selbst aus im Kopf. Oder ist es jetzt etwa so weit?“
„Wie weit? Glaubst du etwa, dass du durchdrehst? Nein, nein…hat schon alles seine Ordnung. Ich bin hier, um dir einen Vorschlag zu unterbreiten. Ich bin die Hilfe, nach der du gerufen hast.“
„Du bist Gott?!“
„Nein, nicht unbedingt Gott, aber doch nicht von dieser Welt. Ich kann deine Frau retten.“
„Meine Frau retten? Aber wie soll das funktionieren? Nehmen wir einmal an, ich glaube dir, sehe dich nicht als Zeichen meines nahenden Wahnsinns, sondern als einen Engel. Wie könntest du meiner Frau helfen?“
„Ein Engel! Sehr interessant. Nun gut! Ich schlage dir einen Handel vor. Was hältst du davon, wenn ich den Krebs von deiner Frau nehme, und ihn einer anderen Person zufüge."
„Das ist doch nicht dein Ernst! Das ist krank, absolut krank!
„Oh warte bitte! Ich war noch nicht fertig. Nehmen wir also an, ich nehme die Krankheit von deiner Frau und schenke sie deinem Bruder.“
„Das kann nicht wahr sein. Ich drehe durch…bitte hilf mir, Herr!“
„Ich bin doch da…und helfen will ich dir. Solltest du tatsächlich verrückt werden, kannst du dieses Gespräch nach seiner Beendigung zu den Akten legen, in die Kartei für kurzzeitige Totalausfälle. Solltest du nicht verrückt sein, meine Stimme nicht nur eine Stimme…wir werden sehen.“
„Weißt du überhaupt, was du da sagst. Mein Bruder! Das ist pervers und krank.“
„So ist es. Pervers und krank…und tut in der Seele gut. Aber jetzt mal im Ernst. Du hast doch eh nicht viel für ihn übrig. Im Grunde genommen geht er dir links am Arsch vorbei. Man könnte auch sagen, dass du ihn hasst. Also…was wäre das schon für ein Verlust. Seine Frau und die Kinder kommen gewiss schnell über diesen „Verlust“ hinweg.“
„Du bist ein kranker Geist.“
„Oh ja. Aber ich gesunde immer wieder an der Menschen Perversion. Auch an der deinen werde ich gesunden. Oder willst du dir für den Rest deines Lebens vorwerfen, die Schuld am Tode deiner wundervollen Frau zu tragen?“
„Das ist dir Preis genug? Dieses Wissen, was Liebe wert ist. Dieser kurze Augenblick der Genugtuung. Dieser nervöse Kitzel der perversen Geilheit.“
„Oh, mach dir um mich keine Sorgen. Ich bekomme schon was ich will. Du hast ja keine Ahnung. Muss dich im Moment auch nicht interessieren. Wichtig ist nur deine Frau. Wenn ich so in meinen Terminkalender schaue, gebe ich ihr noch genau 43 Tage, 6 Stunden, 14 Minuten und genau…10Sekunden. Solltest du nicht auf meinen Vorschlag eingehen wollen, wird es Zeit, die Zeit zu nutzen. Es bleibt nicht mehr viel davon.“
„Nein danke!“
„Gut! Dann werde ich dich nun verlassen. Sei stark. Für dich und deine Frau. Eine Frage noch! Wie willst du deinen Kindern wieder in die Augen schauen? Du, der du ihnen ihre Mutter genommen hast, um das Leben deines Arschlochbruders zu bewahren. Ich beneide dich nicht. Außerdem…stell dir vor: dein Bruder kommt in einem halben Jahr bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Ich sage nicht, dass es so ist! Du sollst es dir nur vorstellen. Dann hast du das Leben deiner Frau für ein halbes Jahr geopfert. Na ja…ich will dich nicht verunsichern, aber in deiner Haut möchte ich nicht stecken. Ich muss ja auch nicht in die Augen der Kinder blicken."
„Ich liebe sie so sehr.“
„Ich weiß.“
„Und sie ist eine so wundervolle Mutter. Selbst jetzt ist sie so voller Liebe, lässt die Kinder nichts von ihrem Schmerz spüren.“
„Ja, sie ist einfach wundervoll.“
„Ich weiß nicht, wie ich ohne sie leben soll. Die Kinder und ich.“
„Schwer, schwer…gerade auch für die Kinder. Ja, sehr schwer.“
„Wird er leiden?“
„Was heißt leiden? In der heutigen Zeit, Morphiumpflaster und was weiß ich nicht alles, leidet doch keiner mehr so richtig beim Sterben. Schlechte Zeiten für unsereins, sage ich dir.“
„Und ich muss nichts anderes tun, als ja sagen?“
„So ist es! Ein kurzes ja und du wirst sehen, ob du ein Loch im Kopf hast oder ich ein wahrer Engel bin.“
„Ja!“


„Hallo!“
„Was willst du? Du hast doch bekommen, was du wolltest!“
„Das glaube ich nicht. Da fehlt noch etwas. Aber alles zu seiner Zeit. Deine Frau erfreut sich bester Gesundheit, wie ich sehe. Das ist schön, für die Kinder und dich.“
„Lass mich doch endlich in Ruhe!“
„Ist schon hart, was? Da bekommt dein Bruder diese furchtbare, unheilbare Krankheit, und beide, Bruder und Frau entschließen sich, gemeinsam diese Welt zu verlassen. Eine Überdosis Tabletten. Oh Mann, da fühlt man sich ganz schön schuldig, könnt ich mir denken.“
„Ja, ja! Du hast gewonnen. Diese Bilder von ihnen, jede Nacht. Immer wieder diese Bilder.“
„Da ist noch etwas. Ein klitzekleiner Nachtrag zu unserer Geschichte. Nachdem ich deinem Bruder die Krankheit brachte, besuchte ich ihn und deine Schwägerin. Erst machte ich ihr das Angebot, dir die Krankheit ihres Mannes zu geben. Sie sagte, ich solle mich zum Teufel scheren. Nicht schlecht, was ! Na ja…dann habe ich es bei deinem Bruder probiert. Er meinte, dass du kein guter Bruder bist, aber er lieber sterben würde, bevor er dich sterben sehen müsse. Das taten die Beiden dann ja auch. Hand in Hand.
Siehst du…jetzt hole ich mir, was ich von Anfang wollte. Mir ging es nur um dein Leben, um sonst nichts. Wie willst du mit dieser Schuld weiterleben? Niemals wieder wirst du deiner Frau, deinen Kindern, in die Augen schauen können. Oh ja…und die Kinder deines Bruders. Sie lieben ihren Onkel, hat er sich doch nach dem Tod der Eltern so fürsorglich um die Kleinen gekümmert.
Du bist ein Mörder. So einfach ist das. Also…sag ja! Gib mir dein Leben und ich schenke einem kleinen, sterbenden Kind dafür sein Leben. Du musst nur ja sagen…“

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Zuletzt geändert von Otti am Mo 3. Okt 2005, 09:14, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Eine Frage des Lebens
BeitragVerfasst: So 2. Okt 2005, 21:30 
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<p><blockquote><font size="1" face="Verdana, Arial">Quote:</font><hr>Ist schon hart, was?<hr></blockquote></p>


aber echt
<img src="http://www.ottolenk.de/smileys/yes.gif" border="0">

hier dürfte sich ein fehler eingeschlichen haben:

<p><blockquote><font size="1" face="Verdana, Arial">Quote:</font><hr>und schenke sie deinem <b>Bruder</b>.
...
„Weißt du überhaupt, was du da sagst. Meine <b>Schwester</b>! Das ist pervers und krank.“
„So ist es. Pervers und krank…und tut in der Seele gut. Aber jetzt mal im Ernst. Du hast doch eh nicht viel für <b>ihn</b> übrig. <hr></blockquote></p>

ansonsten - ich bin gespannt, wie du mit dem dilemma umgehst, in das du deinen protagonisten gebracht hast!

lg,
kathrin

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Lieben Gruß,
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dem wort anheim fallen...


Zuletzt geändert von Claire.delalune am So 2. Okt 2005, 21:31, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Eine Frage des Lebens
BeitragVerfasst: So 2. Okt 2005, 23:23 
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Danke Kathrin <img src="http://www.ottolenk.de/smileys/11.gif" border="0"> Fertig...mit Vorsicht zu genießen!

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 Betreff des Beitrags: Re: Eine Frage des Lebens
BeitragVerfasst: Mo 3. Okt 2005, 06:34 
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<b>Eine</b> Frage des Lebens? - Ich glaube, es geht hier um <b>die</b> Frage des Lebens überhaupt. Zu leben, wenn so viele andere es nicht dürfen...

Es ist die Frage, die so viele der Überlebenden der deutschen KZs gequält hat, nachdem ihr Leben durch Zufall oder die Stärke des eigenen Überlebenwollens gerettet war - warum ich? wenn so viele andere... Und die bei vielen dazu führte, daß sie sich am Ende selbst das Leben nahmen, wie bei Primo Levi.

Es ist auch der Gewissenskonflikt, von dem Überlebende von Unglücken und Katastrophen so oft Zeugnis geben - ich habe es hier in Schweden besonders bei den Überlebenden des Untergangs der "Estonia" verfolgen können.

Und besonders, wenn es um das Weiterleben geht, nachdem ein über alles geliebter Mensch nicht weiterleben durfte.

Und in äußerster Konsequenz geht es um das Leben, Überleben überhaupt, das immer, immer, immer und in jedem Fall "auf Kosten" anderen Lebens geschieht, in einem wahrhaft teuflischen Kreislauf, den man Karma, Schicksal oder was immer nennen mag, in dem sich dem Menschen immer wieder die unmögliche Frage stellt, ob der Überlebenswille, mit dem er ohne sein Zutun ausgestattet ist, irgendwie moralisch annehmbar sein kann oder verwerflich ist. Ich glaube nicht, daß es auf diese Frage eine moralische Antwort geben kann.

Was für eine Geschichte...
<img src="http://www.ottolenk.de/smileys/53.gif" border="0"> <img src="http://www.ottolenk.de/smileys/53.gif" border="0"> <img src="http://www.ottolenk.de/smileys/53.gif" border="0">

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Zuletzt geändert von Eva am Mo 3. Okt 2005, 07:54, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Eine Frage des Lebens
BeitragVerfasst: Mo 3. Okt 2005, 09:35 
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am 3. dezember 1990 musste ich eine solche entscheidung treffen...über leben und tod.
am ende entschied ich mich für den tod, da ich kein leben mehr sah.
luftröhrenschnitt, beatmungsmaschine, keinerlei hirntätigkeit. und doch lag sie wie schlafend da...und diese wenn und aber, dieses "wer weiß"...und vieles mehr wird bleiben.

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 Betreff des Beitrags: Re: Eine Frage des Lebens
BeitragVerfasst: Mo 3. Okt 2005, 09:48 
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 Betreff des Beitrags: Re: Eine Frage des Lebens
BeitragVerfasst: Mo 3. Okt 2005, 10:05 
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liebe eva,

natürlich geht die geschichte weit über mein persönliches erleben hinaus. deine worte zeigen mir, dass genügend raum zwischen meinen worten liegt.

ich danke dir

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 Betreff des Beitrags: Re: Eine Frage des Lebens
BeitragVerfasst: Mo 3. Okt 2005, 14:02 
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 Betreff des Beitrags: Re: Eine Frage des Lebens
BeitragVerfasst: Mi 5. Okt 2005, 09:43 
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mich packt dieser text, hat mich gepackt von anfang an. ich war gespannt, nun bin ich betroffen, sehr. nicht zuletzt auch von den kommentaren, zuerst aber durch deinen text, otto.

meine gedanken in worte zu fassen vermag ich nicht.
aber der text ist angekommen, das wollte ich dich wissen lassen.

alles liebe dir,
kathrin

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 Betreff des Beitrags: Re: Eine Frage des Lebens
BeitragVerfasst: Mi 5. Okt 2005, 10:42 
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