Hausfrauen-Glück
Beim nächsten Job wird alles anders!“, so dachte ich vor einer Woche, als ich, gestresste und geplagte Mutter von drei Kindern, wieder mal bitterlich in mein Geschirrhandtuch schluchzte. Ich beobachtete durchs Küchenfenster, wie mein Mann mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen, frisch geduscht und gestylt die Einfahrt entlang schlenderte, sich majestätisch wie Prinz Charles in seine Nobelkarosse schwang, um seinem Job als Heimleiter im Altenheim nachzugehen. Sicherlich warteten in seinem Hochglanz-Büro bereits mindestens zwei junge, hübsche Mädels darauf, ihm auf einem silbernen Tablett den Kaffee servieren zu dürfen. Mir krampfte sich das Herz zusammen. Ich stand in meiner Küche, bekleidet mit einer ausgebeulten Jogginghose, zwei verschiedenen Socken, weil meine eigenwillige Waschmaschine wieder mal einen verschlungen hatte, einem nach Baby-Kotze stinkenden Sweatshirt und einer Frisur, die meiner 90-jährigen Oma alle Ehre gemacht hätte, und versuchte die Spuren der Haselnusscreme-Schlacht zu beseitigen. So konnte es nicht weiter gehen. Als halbwegs intelligente und zivilisierte Frau hatte ich doch wohl ein Recht darauf, mich wenigstens einmal täglich mit halbwegs intelligenten und zivilisierten Menschen zu unterhalten. Stattdessen fristete ich Woche für Woche und Jahr für Jahr mein beklagenswertes Dasein in diesem Affenstall, wo die einzigen Worte, die man an mich richtete „Mami, wann gibt’s Essen“ waren. Ich hatte es gründlich satt, Zeitungen zu lesen, die ich mir zuvor in mühseliger Kleinarbeit zusammen basteln musste. Ich wollte noch einmal in diesem Leben eine ganze Tasse heißen Kaffees schlürfen, ohne dass ich zwischendurch ein Kind aufs Töpfchen setzen , dem Zweiten Kaugummi aus den Haaren schnibbeln und dem Dritten eine Platzwunde am Kopf nähen musste, weil es sich beim Springen vom Wohnzimmerschrank selbst überschätzt hatte. Ich hatte keine Lust mehr auf diese Endlosdiskussionen über so überlebenswichtige Fragen wie: Wer darf heute aus dem roten Becher trinken? Und ich hatte es gründlich Leid, meine 2-jährige Tochter, zweifelsfrei eine bekennende Nudistin, sechsunddreißig mal am Tag wieder anzuziehen. Es musste was passieren! Als mein Mann abends ausgeruht, gutgelaunt und nichtsahnend zur Tür reinkam, polterte ich los: „Jetzt ist Schluss mit lustig! Ich bin als freier Mensch geboren und nicht länger bereit, Sklavenarbeit zu leisten, die nicht beachtet, geschweige denn honoriert wird. Ich will nicht die einzige Frau in diesem Staat sein, die ihre besten Jahre damit verbringt, den Mülleimer nach verlorengegangenen Schnullern zu durchsuchen.“ Mein Göttergatte glotzte mich an wie ein Hering vor dem Ausnehmen und sprach den bedeutungsvollen Satz: „Du glaubst nicht, wie gerne ich mit dir tauschen würde.“ „Das ist überhaupt die Idee! Du nimmst dir deinen Jahresurlaub, schmeißt diesen gottverdammten Haushalt und besorgst mir eine Stelle im Altenheim, wo ich sechs Wochen zur Probe arbeiten kann.“ Es hätte mir gleich zu denken geben müssen, dass mein Mann mich so bescheuert und selbstherrlich angrinste und sich mit meinem Vorschlag widerspruchslos einverstanden erklärte. Eine Woche später trat ich frisch geduscht und gestylt, mit einem selbstzufriedenen Camilla-Parker-Bowles-Lächeln auf den Lippen meinen Dienst an. Das erste, was ich auf der mir zugewiesenen Station sah, war ein völlig nackter Mann, der in seinem Rollstuhl durch den Flur fuhr. Die Stationsleiterin stellte sich selbst und den unbekleideten Herrn vor: „Das ist übrigens Herr Müller, er ist ein wenig verwirrt und zieht sich sechsunddreißig mal am Tag aus. Bringen Sie ihn bitte ins Zimmer 212 und ziehen ihn wieder an.“ Die Prozedur kam mir seltsam bekannt vor. Im Zimmer nebenan schrie eine Frau: „Schwester, wann gibt’s Essen?“ Ich habe nicht mitgezählt, aber ich bin sicher, dass ich diesen Satz aus ein und demselben Mund in den folgenden zehn Minuten mehr als fünfzig mal gehört habe. Oh, Gott, das war ja schlimmer als Zuhause. Beim Frühstück wollte Frau Schneiders auf keinen Fall neben Herrn Jansen und Herr Schmitz partout nicht gegenüber Herrn Schröder sitzen. Bis dato hatte ich geglaubt, solche überlebenswichtigen Diskussionen hören spätestens mit der Pubertät auf. Doch es sollte noch schlimmer kommen. Als ich den Tisch abräumte lag auf einem Teller ein vorgekautes und ausgespucktes Butterbrot und auf einem anderen Teller eine benutzte Slipeinlage Ich fing an, mich nach den Nutella-Spuren meiner Kinder zurück zu sehnen. Während meiner viertelstündigen und wohlverdienten Frühstückspause klingelten drei Damen Sturm, weil sie zur Toilette gebracht werden wollten und ein Herr brüllte aus Leibeskräften, jemand solle ihm den Fernseher lauter drehen. Nachdem ich das alles mit einem Mindestmaß an Unmut erledigt hatte, war mein Kaffee natürlich kalt. Leicht verärgert dachte ich: Na, kalten Kaffee kann ich auch Zuhause trinken. Ich durchsuchte mehrere Mülleimer nach dem verlorengegangenen Portemonnaie einer dementen Dame, die steif und fest behauptete, eine alte Hexe hätte ihr Geld geklaut. Herrn Müller konnte ich kurz vor Feierabend so gerade noch daran hindern sich schon wieder auszuziehen. Gedankenverloren stieg ich in den Bus und freute mich auf meine lieben Kleinen. Bereits ein Tag im Altenheim hatte mich zur Besinnung gebracht. Meine Kinder konnte ich wenigstens hin und wieder in ihr Zimmer oder zum Spielen schicken. Deshalb störte mich das besserwisserische Funkeln in den Augen meines Mannes nur wenig, als er mit einem Hauch von Ironie in der Stimme wissen wollte: „Na, mein Schatz, gefällt dir der neue Job besser?“ „Ach, du glaubst nicht, wie gern ich wieder mit dir tauschen würde.“
_________________ Lache, wenns zum weinen nicht reicht!
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