Endlich ist es soweit! Ich werde ihn zum ersten Mal sehen. Diesen Traummann, den ich bisher nur über City – Nightlife „Wanted“ kenne. Aufgedonnert und aufgeplustert wie ein Pfau beim Balzen steige ich in den Zug. Gar nicht so einfach mit Schuhen an den Füßen, in denen der letzte verzweifelte Versuch vermutlich daran scheitert, dass ich mir vorher die Haxen oder noch schlimmer das Genick breche. Hoffentlich stolpere ich gleich nicht wie ein unbeholfener Dorftrampel auf den Traum meiner schlaflosen Nächte zu. Als ich mich auf die Bank des Abteils fallen lasse, klopft mein Herz vor Aufregung so laut, dass ich Angst habe, den Hund der alten Dame neben mir aufzuwecken. Wie wird der Typ aussehen, der mir so charmante Schmeicheleien auf meinen Bildschirm gezaubert hat? Wird er halten können, was ich mir davon verspreche? Was verspreche ich mir überhaupt? Werde ich noch die Kraft haben, ihn von der Bettkante zu schubsen, wenn mir just in dem Moment einfällt, dass ich eine verheiratete Frau bin? Gut, eigentlich bin ich nur noch ein ganz kleines bisschen verheiratet, seit die zwei Wunderwerke der Technik bei uns Einzug gehalten haben. Mein Göttergatte surft, bis ihm die Augen flimmern und ich chatte mich derweil durch die Fremde-Männerwelt. Und nun sitze ich im Zug und rattere dem Abenteuer meiner späten Jahre entgegen. Mein schlechtes Gewissen trampele ich nieder mit Sprüchen, wie: Selber schuld! Wenn du deine Tastatur erotischer, deinen Bildschirm hübscher und deinen Rechner aufregender findest als mich, hast du es nicht besser verdient. Wann hatten wir den letzten Sex? Wahrscheinlich bin ich schon wieder zur Jungfrau mutiert. Der Mann, der gerade auf mich wartet, leckt sich wahrscheinlich alle Finger ab, wenn ich auf meinen Pumps auf ihn zu stolziere. Der weiß wenigstens zu schätzen, was eine überreife Frau zu bieten hat. Genüsslich lasse ich mir noch mal seine letzte Email durchs Gehirn tanzen. >>Ich kann es kaum erwarten, bis wir uns treffen. Du bist so eine tolle Frau. Du hast einen Mann verdient, der dir zu Füßen liegt, der sich um dich kümmert und dich verwöhnt.<< Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. So ein edler, charmanter Ritter! So ein Kavalier. Der weiß, wie man mit Frauen umgeht. Wenn ich bedenke, mit welchem ignoranten Trampeltier ich mich zu Hause begnügen muss. Dieser gefühllose und unromantische Mistkerl erinnert sich nur an mich, wenn er keine sauberen Socken mehr im Schrank hat. Wie konnte ich nur so blind sein? Wie völlig anders ist doch der Mann, der mir da ins „Netz“ gegangen ist. Intelligent, witzig, humorvoll. Ein Mann, wie ich ihn mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorzustellen gewagt hätte. Oh, nur noch eine Station, hoffentlich erkenne ich ihn. Er hat geschrieben, er steht am Ausgang und trägt eine schwarze Jeans und ein rotkariertes Hemd. Die Bremsen quietschen, der Zug hält an. Auf zittrigen Beinen nähere ich mich dem Ausgang. Mir stockt der Atem. Habe ich dieses Hemd nicht gestern noch gebügelt? Lieber Gott, lass mich bitte mitsamt diesen gottverdammten Schuhen auf der Stelle im Erdboden versinken! Das darf doch nicht wahr sein! Mein Mann kommt auf mich zu, nimmt mich in den Arm und flüstert in meine heißen Ohren: „Ich hab sofort gewusst, mit wem ich da jeden Abend chatte. Ich kenne doch meine Traumfrau. Nur jetzt würde ich mich gerne noch mal verbal mit dir unterhalten“
_________________ Lache, wenns zum weinen nicht reicht!
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