Es ist ungefähr 10 Jahre her. Töchterchen war 17 und zu meinem heimlichen Entsetzen, Mitglied einer Motorradgruppe. Ab Ende April lagen ständig Motorräder in verschiedenen Auflösungsstadien in unserem Vorgarten. Die ganze Woche wurde geschraubt, geputzt, Teile gesucht, geölt und zur besonderen Freude der Nachbarn, laute Musik abgespielt. Mein Part bestand darin kühle Getränke ranzuschleppen und wenn es mal wieder spät geworden war, Spagetti mit Hackfleischsoße zuzubereiten.
Am Samstag vor Muttertag wurde mir der neueste sonntägliche Plan vorgestellt. Es sollte, nach Wetterbericht, ein traumschöner Sonnentag werden und die Gruppe wollte schon früh in Richtung Hannover aufbrechen. Sie waren so von den sonntäglichen Plänen beseelt, dass an den Muttertag kein Gedanke verschwendet wurde.
So wurde also am Samstag geputzt, getankt und das Notwendigste gepackt. Die Stiefel wurden gewienert, das Lieblings-Shirt mit dem Wolfskopf noch schnell " von Mama natürlich" durchgewaschen. Noch immer wurde kein Wort über den Muttertag verloren und auch wenn ich diesem Tag nicht allzu viel Bedeutung beimesse, so war ich ein bisschen traurig. Über ein kleines Blümchen hätte ich mich ja auch gefreut.
Als ich am Muttertag gegen 8.00 aus dem Bett stieg, erwartete mich auf dem Küchentisch ein Blumenmeer aus Osterglocken, kleinen Zettelchen mit Grußbotschaften und eine Thermoskanne mit Kaffee. Thomas hatte sogar ein Blümchen gemalt und ein Gedicht aufgeschrieben. Ich lächelte als ich an den jungen Kerl dachte. Lederhose, lange Haare und ein Tattoo mit Totenkopf auf dem Oberarm. Die ganze Bande hatte mich überrascht und ich war so gerührt das mir fast die Tränen kamen. Diese Rührung verflog aber spätestens als es an der Haustür klingelte und ein erboster Nachbar mit hochrotem Gesicht feststellte, dass die "schrecklichen Rocker, mit denen ihre Tochter immer rumhängt " in der ganzen Nachbarschaft die Osterglocken aus den Vorgärten abgeschnitten hätten. Seine Mutter hat einen leichten Schlaf und die hätte es genau gesehen. Meine Güte.....fast hätte ich laut aufgelacht bei dem Gedanken das acht Lederbehoste am frühen Morgen durch die Vorgärten schlichen um Osterglocken für den Muttertag abzuschneiden. Aber ich konnte unmöglichlich alles abstreiten, schließlich musste ich mit den Nachbarn noch länger auskommen und die Übeltäter waren ja auch schon erkannt.
Ich trat also gegen 11.00 Uhr am Morgen meinen Gang nach Canossa an, bezahlte allen Nachbarn die "ausgeliehenen" Osterglocken, entschuldigte die Bande mit " wir waren doch auch mal jung" und am späten Nachmittag, als die Bande heimkam und sich diebisch über die Überraschung freute, die sie mir ihrer Ansicht nach gemacht hatten, verlor ich kein Wort über den nachbarlichen Vorfall.
Im nächsten Jahr bat ich meine Tochter allerdings zum kommenden Muttertag auf Blumen aus den Nachbargärten lieber zu verzichten.
©Pia Widera
Zuletzt geändert von Pia-Marie am So 14. Mai 2006, 17:34, insgesamt 1-mal geändert.
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