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Selma, eine alte Westerwälderin, kann den Tod voraussehen. Immer, wenn ihr im Traum ein Okapi erscheint, stirbt am nächsten Tag jemand im Dorf. Unklar ist allerdings, wen es treffen wird. Davon, was die Bewohner in den folgenden Stunden fürchten, was sie blindlings wagen, gestehen oder verschwinden lassen, erzählt Mariana Leky in ihrem Roman.
›Was man von hier aus sehen kann‹ ist das Porträt eines Dorfes, in dem alles auf wundersame Weise zusammenhängt. Aber es ist vor allem ein Buch über die Liebe unter schwierigen Vorzeichen, Liebe, die scheinbar immer die ungünstigsten Bedingungen wählt. Für Luise zum Beispiel, Selmas Enkelin, gilt es viele tausend Kilometer zu überbrücken. Denn der Mann, den sie liebt, ist zum Buddhismus konvertiert und lebt in einem Kloster in Japan …
Ja, das auch. Aber das ist beiweitem nicht alles, und ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, mir fehlen die Worte, so erstaunt bin ich über dieses Buch. Mariana Lekys Art zu erzählen ist völlig einzigartig. Ihr Roman ist wie ein wunderbar durchkomponiertes Musikstück, in dem die gesamte Musikgeschichte zum Tragen kommt. Thema und Variationen, Leitmotive, voll von Kleinen und großen Formen, Kreuz- und Querverweisen. Die Autorin verliert nicht einen einzigen Faden, da wird wiederaufgenommen, gebündelt, geflochten, entwirrt, wie in einem Fingerfadenspiel. Hinzu kommt eine kindliche Direktheit der Sprache, die zu ihrem ursprünglichen Bildgehalt, ihren idiomatischen Ausdrücken und Wendungen in vertrautestem Verhältnis steht, wie einem dies nur noch selten und bestenfalls eben bei Kindern begegnet. Sich so etwas bewahrt zu haben ...
Weiterhin ist es ein Buch voll von wichtigen Einsichten, Fragen, Reflektionen. Eine der wicktigsten ist wohl die, ob man hinaus in die Welt müsse, weil man nur in der Ferne wirklich werde – wie der Vater meint und wie die Ich-Erzählerin zunächst, für die Dauer des Buches, verneint. Mehr will ich dazu nicht sagen, um nichts vorwegzunehmen. In diesem Zusammenhang kommt auch der japanische Zenbuddhismus ins Spiel, vorallem in Gestalt eines schönen jungen Mannes, der „durchs Unterholz bricht“: „Wußtest du, daß es gar kein Ich gibt? Daß das sogenannte Ich nichts als eine Schwingtür ist, durch die der Atem ein- und ausgeht?“ Und so fort, das Buch ist ein geistreicher Hochgenuß auf allen Ebenen, die mir in den Sinn kommen wollen, in seiner Tragik und in seiner Komik, und ich bin einfach ziemlich rundherum begeistert. Mich würde wirklich interessieren, ob jemand von euch auch so reagiert.