Jetzt gerade streiche ich Feuchtigkeitssalbe auf die trockene Haut. Meine Beine. Wie oft habe ich in Romanen die bläulichen Beine, Schenkel mit Besenreißern, dicken Adern gelesen. Selt-sam, immer waren es die Frauen, deren Beine im Alter beschrieben wurden. Nie die Männer. Halt stopp, ein Roman fällt mir ein, in dem die Protagonistin alle Seiten hindurch dem Mann das Tragen eines Kompressionsstrumpfes ankreidet, dieses alte, wie sie meint, inaktive Bein beschreibt. Immer ist mich beim Lesen der geäderten, schlaffen Altersbeine der Frauen Ekel angekommen, diagonal lesen, schnell weiterblättern. An das erste Buch mit dem Schildern einer alten, gebrechlichen, bettlägerigen Mutter muss ich denken, eine niederländische Autorin. Es war in der Zeit der Frauenemanzipationsbewe-gung. Die Befreiung vom schnürenden Büstenhalter. Und dies Buch, das Alter und Tod einer Mutter beschreibt. Eine Tochter, die den nackten Körper bis hin zum spärlichen Schamhaar ansieht, sachlich und – wie ich fand – dennoch mit einer Art verwunderten Mitgefühls. So ähnlich fühlte ich mich. Der Bruch eines Tabus. Eine Nackte. Eingeübt von Kindheit an: das Wegsehen. Und nun Hinsehen bis zur Scham. und die weißlichen Beine mit den vielen dunklen Flussdeltas. Bei jeder Darstellung dieses Altersphänomens fühlte ich mich erschreckt und zugleich voll ohnmächtigen Zorns. Warum geschah uns das?! Reichten nicht die Zeichen der Falten, der schlaffen Oberarme, der Wülste rundum. Ich überlegte, ob es etwas besser machte, wenn ich diese Veränderungen auch bei Männern so explizit aufgereiht fände. Nichts hat sich geändert. Die Schilderungen stoßen mich noch immer ab und machen mir weh. Nur jetzt, jetzt gehöre ich selbst zu dieser bläulichen Altersgruppe. Und noch ist es so, dass ich etwas zurückschrecke vor diesem Anblick, dieser Tatsache und zugleich wehmütig und traurig bin.
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