<b>(un)gereimte weidenballade</b>
es sprach die junge weide zu ihrem grünen bruder
warum nur neigst du traurig dein haupt zum wasser hin verborgen hinter schleiern tropft tränenreiches kreisen ins fließende gemach es spiegelt sich im fluss das reiche algenhaar und wind weht liebliche gesänge vom braunen ufer her doch bruder bleibt gefangen mit herzweh in den flechten und seine kleine schwester steht still am inselrand und kann ihn nicht erreichen er bleibt in sich verfangen und hört die stimme nicht
es sprach die junge weide zu ihrem vater wind:
wo bleibt mit frischer brise dein windbetörtes lied es regnet brudertränen ins tiefe kühle grab du bist heut ganz woanders umschmeichelst lieber herzen von fremder väter mädchen derweil ich ringe ängstlich und bin schon grau und müde bin der verzweiflung nah zerrauf mit blätterfingern mir haare, flechten, zopf und bin in heller not mein bruder liegt im sterben es finden seine wurzeln in dieser erde keinen halt
es sprach der vater wind zu seinem weidenkind:
lieb tochter lass dir sagen ich will ein lied dir wagen bleib windiger geselle und wehe nie an einer stelle es treibt in meinem traume mich weg vom blattgeraune mein sohn, der bleibt mir fremd mit seiner wurzel, die ihn hemmt ich würd ihn gern verstehen doch lässt er stumm mich gehen was nützt dein händeringen kann keine hilfe bringen mein wispern will verstummen hör nur noch mücken summen sprich schnell mit mutter welle sie ist im kopf doch helle
es sprach die junge weide zur weisen mutter welle:
ach mutter mein, ich bin allein und sorge mich gar sehr der bruder ist so traurig und findet keinen halt die wurzeln ragen luftwärts kein grünes blatt wächst an den zweigen sein herz schlägt nur noch leise längst meiden vögel ihn mein vater wind weht kreuz und quer treibt an zum sturm die wolken ist selber schon ganz durch den wind und purzelt brisenstiebe ins unsichtbare blau was kann ich tun für meinen baumgefährten es schmerzt, mitanzusehen das endlos lange sterben
es sprach zur jungen weide die weise mutter welle:
ach kind, es ist ein jammer mit dieser schreckenskammer es wächst ihm eine seele im fluss und auf der wasserreise dein vater bläst zum sturm es kippt der bruder baum und stürzt in mutter welles reich ich bin im kopf ja helle und ruf ganz auf die schnelle die wilden schwesterwellen wir schwemmen ihn ganz sacht hinaus zu neuen ufern dort wird er fest verankern und schon im neuen jahr wird grünes haar das wasser küssen
es sang die junge weide ein letztes klagelied:
du wirst mir fehlen bruder vertrauter und gefährte all meiner jugend jahre nun heißt es abschied nehmen so fließ mit mutter fluss hinaus zu neuen zielen es tropfen meine tränen goldgelbes harz ins weiche moos und schick mit einem lied den vater wind als boten her wenn deinen hafen du gefunden ich wünsch dir glück und viele wurzelkinder und seh dein lichtes haar das wasser wieder kosen[ schon träumen meine blätter vom sommersonnenschein
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